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/ 17.06.2013
Herfried Münkler / Harald Bluhm (Hrsg.)

Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe

Berlin: Akademie Verlag 2001 (Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Gemeinwohl und Gemeinsinn" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 1); 336 S.; geb., 39,80 €; ISBN 3-05-003628-1
Das Buch ist das erste von insgesamt vier Bänden dieser Publikationsreihe, die auf Ergebnissen von Tagungen und separaten Veröffentlichungen beruht, für die die 1998 an der genannten Akademie eingerichtete interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Gemeinwohl und Gemeinsinn" verantwortlich zeichnet (siehe Münkler/Fischer in diesem Heft, in dieser Rubrik). Wenn neben politischen Gremien (wie aktuell etwa der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages über "Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement") auch renommierte Institutionen des Wissenschaftssystems sich dieser Begriffe annehmen, die zwischen Ideengeschichte und politischer Rhetorik, zwischen analytischer Kategorie und moralischem Appell changieren, dann könnte das zeitdiagnostisch als Reflex einer gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität für sozio-moralische Fragen verstanden werden. So rücken die Herausgeber das Vorhaben denn auch in diese Perspektive. Ausgangspunkt der Thematisierung von Gemeinwohl und Gemeinsinn ist der Kontrast zweier Beobachtungen: Einerseits müssen wir von einer durchgehenden Pluralisierung und Prozeduralisierung dieser Begriffe ausgehen - nach dem Ende der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts stehen keine essenzialistischen Bestimmungen mehr zur Verfügung. Andererseits gibt es seit längerem eine Renaissance von theoretischen Konzepten und politischen Formeln, die in der Gemeinwohlorientierung von Institutionen und der Engagementbereitschaft von Staatsbürgern nach Äquivalenten klassischer republikanischer Tugenden suchen. Der Band will durch eine bis zum Ende des 19. Jahrhunderts reichende Rekonstruktion der "Vielfalt dieser Semantik [...] zum Verständnis der fortdauernden Bedeutung dieser Begriffe in den jüngeren Debatten" beitragen (10). Inhalt: Herfried Münkler / Harald Bluhm: Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale Leitbegriffe (9-30); Guido O. Kirner: Polis und Gemeinwohl. Zum Gemeinwohlbegriff in Athen vom 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. (31-63); Otto Gerhard Oexle: Konflikt und Konsens. Über gemeinschaftsrelevantes Handeln in der vormodernen Gesellschaft (65-83); Peter Blickle: Der Gemeine Nutzen. Ein kommunaler Wert und seine politische Karriere (85-107); Gisela Naegle: Französische Gemeinwohldebatten im 15. Jahrhundert (109-127); Thomas Simon: Gemeinwohltopik in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Politiktheorie (129-146); Hans Grünberger: Wege zum Nächsten. Luthers Vorstellungen vom Gemeinen Nutzen (147-168); Raimund Ottow: Politische Gemeinwohl-Diskurse in Großbritannien: von den 'Rosenkriegen' zum Bürgerkrieg (169-189); Wolf Hagen Krauth: Gemeinwohl als Interesse. Die Konstruktion einer territorialen Ökonomie am Beginn der Neuzeit (191-212); Cord-Friedrich Berghahn: Klassizismus und Gemeinsinn. Antikerezeption und ästhetische Gemeinwohlformeln in den Vereinigten Staaten am Beispiel Thomas Jeffersons (213-245); Matthias Bohlender: Metamorphosen des Gemeinwohls. Von der Herrschaft guter polizey zur Regierung durch Freiheit und Sicherheit (247-274); Manuel Frey: Vom Gemeinwohl zum Gemeinsinn. Das Beispiel der Stifter und Mäzene im 19. und 20. Jahrhundert (275-301); Stefan-Ludwig Hoffmann: Tocquevilles "Demokratie in Amerika" und die gesellige Gesellschaft seiner Zeit (303-325).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.232.645.3 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Herfried Münkler / Harald Bluhm (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Berlin: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/15858-gemeinwohl-und-gemeinsinn_18105, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18105 Rezension drucken
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