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/ 20.06.2013
Dokyun Kim

Gerechtigkeit und Verfassung. Eine Rawlssche Deutung der bundesverfassungsgerichtlichen Formel "eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise"

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2004 (Kieler Rechtswissenschaftliche Abhandlungen NF 44); 559 S.; brosch., 98,- €; ISBN 3-8329-0705-X
Rechtswiss. Diss. Kiel; Gutachter: R. Alexy. - In dieser rechtsphilosophischen Arbeit wird versucht, die politische Theorie von Rawls für die verfassungstheoretische Bestimmung des grundgesetzlichen Gerechtigkeitsbegriffs nutzbar zu machen. Kim stellet eingangs fest, dass sich das Bundesverfassungsgericht zwar ständig auf eine der Verfassung zugrunde liegende Idee der Gerechtigkeit bezieht; wie „das Gericht die Idee [...] auffasst, ist jedoch [...] alles andere als klar" (27). Kim arbeitet daher zunächst heraus, aus welchen Komponenten die verfassungsgerichtliche Konzeption der Gerechtigkeit besteht. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit einer „konstitutionalistischen Theorie der Verfassungsgerechtigkeit", die hinsichtlich der Gemeinschaftskomponente „liberal" sein müsse und bezogen auf die praktische Vernunft „prozedural" im Sinne von „Fairness" und „Diskursivität". Zugleich müsse die dabei zugrunde gelegte Vorstellung der „moralischen Autonomie, der Gemeinschaftsbezogenheit und der Interessensmaximierung Rechnung tragen" (529). Kim prüft nun umfassend, inwieweit Rawls' politische Konzeption der Gerechtigkeit diese Grundbedingungen erfüllt. Er kommt zum Ergebnis: „Rawls' liberal-politischer Konzeption der Gerechtigkeit fehlt ein adäquates Verfahren der Abwägung zwischen den Gerechtigkeitskriterien" (532). Umgekehrt bedeutet dies, dass sie eine vollständige konstitutionalistische Theorie der Verfassungsgerechtigkeit wäre, soweit man sie nur um eine solche „Abwägungstheorie" erweiterte. Zugleich ist damit gezeigt, dass verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Begriffen wie „Gerechtigkeit", „Gemeinwohl" usw. ohne fundierte politisch-philosophische Reflexion höchst fragwürdig bleibt.
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.3232.235.425.43 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Dokyun Kim: Gerechtigkeit und Verfassung. Baden-Baden: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/22136-gerechtigkeit-und-verfassung_25239, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25239 Rezension drucken
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