/ 03.06.2013
Andreas Gestrich (Hrsg.)
Gewalt im Krieg. Ausübung, Erfahrung und Verweigerung von Gewalt in Kriegen des 20. Jahrhunderts
Münster: Lit 1996 (Jahrbuch für Historische Friedensforschung 4); 244 S.; brosch., 34,80 DM; ISBN 3-8258-2359-8Der Band gibt einen Teil der Referate wieder, die im Herbst 1994 auf einer Tagung des Arbeitskreises Historische Friedensforschung zum Thema "Gewaltbereitschaft - Gewalterfahrung - Gewaltverweigerung in Kriegen des 20. Jahrhunderts" vorgetragen wurden. Dem Tagungsthema entspricht die Gliederung der Sammlung, wobei zwei Schwerpunkte festzustellen sind: Zum einen die Untersuchung der Gewalt gegen Frauen im Krieg, zum anderen die Problematik der Desertion und Gewaltverweigerung. Obgleich manche der Beiträge ein rechenschaftsfähiges theoretisches Fundament vermissen lassen und nicht von ideologischen Untertönen frei sind, wird dem Leser durchgehend einerseits ein differenzierter Blick auf die behandelten Phänomene und historischen Ereignisse in den Kriegen des 20. Jahrhunderts vermittelt. Andererseits machen die Aufsätze deutlich, daß noch manche theoretische Arbeit nicht nur auf den Gebieten der Sozialpsychologie und der politischen Psychologie des Krieges zu leisten ist. Was vor allem zu fehlen scheint, ist ein adäquates Verständnis des Krieges selbst, das gewiß nicht dadurch zu erreichen ist, daß man diesen lediglich aus der Perspektive des Individuums in den Blick bekommt. Die Beiträge des Bandes regen an, hierüber nachzudenken. Für den am Thema Interessierten sind die im vierten Teil enthaltenen Rezensionen von Büchern, die um die Themen Krieg und Kriegsgeschichte kreisen, begrüßenswert.
Inhalt: Andreas Gestrich: Einführung (1-12). Gewaltbereitschaft: Ruth Seifert: Der weibliche Körper als Symbol und Zeichen. Geschlechtsspezifische Gewalt und die kulturelle Konstruktion des Krieges (13-33); Birgit Beck: Vergewaltigung von Frauen als Kriegsstrategie im Zweiten Weltkrieg? (34-50); Elcin Kürsat-Ahlers: Die Brutalisierung von Gesellschaft und Kriegsführung im Osmanischen Reich während der Balkankriege (1903-1914)(51-74); Annegret Jürgens-Kirchhoff: 'Sterbelust und Opferdrang'. Die Erotisierung des Krieges (75-98). Gewaltverweigerung: Benjamin Ziemann: Verweigerungsformen von Frontsoldaten in der deutschen Armee 1914-1918 (99-122); Norbert Haase: Zwischen Gewalterfahrung und Gewaltverweigerung. Deserteure der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg (123-131); Detlef Garbe: Radikale Verweigerung aus Prinzipientreue und Gewissensgehorsam. Kriegsdienstverweigerung im 'Dritten Reich' (132-158); Wolfram Wette: Verweigerung und Desertion im jugoslawischen Bürgerkrieg (159-173). Verarbeitungsformen von Gewalterfahrung: Hans-Joachim Schubert: Die Folgen des Vietnamkrieges für die USA. Hollywood und das posttraumatische Streßsyndrom (174-192); Friedhelm Boll: Zwischen Hitlerjugend und nationalsozialistischem Terror. Zum Miterleben nationalsozialistischer Unmenschlichkeit durch Kinder und Jugendliche aus sozialdemokratischem Milieu (193-215); Rezensionen.
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.25 | 2.62 | 2.312 | 2.64
Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Andreas Gestrich (Hrsg.): Gewalt im Krieg. Münster: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1834-gewalt-im-krieg_2109, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 2109
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Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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