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/ 04.06.2013
Ulrike Becker / Frank Behn / Clara Fall / Matthias Küntzel / Wladimir Schneider / Jürgen Starck / Klaus Thörner / Rolf Woltersdorf

Goldhagen und die deutsche Linke oder Die Gegenwart des Holocaust

Berlin: Elefanten Press 1997; 192 S.; pb., 29,90 DM; ISBN 3-88520-639-0
Die im linken Spektrum "oder autonomen Zusammenhängen" (10) engagierten Autoren kritisieren die teils unklaren, teils ignoranten und teils abwehrenden Reaktionen der "deutschen Linken" auf das vieldiskutierte Buch "Hitlers willige Vollstrecker" von Daniel Goldhagen. Analysiert werden u. a. die Zeitschriften "analyse und kritik", "Freitag", "Kommune" und Periodika wie "bahamas", "Forum Wissenschaft" und "kalaschnikow", in der auch die Historiker Wippermann und Pätzold zu Goldhagen Stellung bezogen haben. Die Autoren dieses Bandes fassen die heftigsten Kommentare zu Goldhagen so zusammen: "In den Rezensionen der linken Medien wurde Goldhagen nicht nur als Anhänger des Kapitalismus und der bürgerlich-demokratischen Staatsform geoutet, der er erklärtermaßen ist, sondern zugleich als latenter Sexist, als antideutscher Rassist oder als Karrierist, der sich den Möglichkeiten dubioser Medienkartelle nur geschickter als andere zu bedienen weiß." (7) Schon die Tatsache, daß es sich um einen Bestseller handele, sei für viele Rezensenten linker Publikationen Grund genug gewesen, das Buch "rechts liegen zu lassen" (45). In den Reaktionen von nicht-linken Historikern und Rezensenten der taz, des Spiegel oder der FAZ wollen die Autoren sogar einen antisemitischen Tenor erkennen: "Erneut werden die Juden zum Unglück der Deutschen erklärt" (43) – womit sie den Boden der Sachlichkeit zweifellos verlassen. Goldhagen selbst liefere keinen ganz neuen Erklärungsansatz für den Holocaust, weil er den modernen Antisemitismus nicht erklären könne. Sein Beharren auf der Verantwortlichkeit des Individuums stelle jedoch eine Herausforderung für die Linke dar (92 f.). Abschließend werden zwei eigene, nicht exklusiv gemeinte Erklärungsansätze für den Holocaust angerissen, die es zusammen zu erforschen gelte: Der eine geht kulturgeschichtlich vom einem Konzept der romantisch geprägten "deutschen Identität" aus. Nach dem zweiten gibt es einen Zusammenhang zwischen kapitalistischer Arbeit in einer "Ökonomie der Industrialisierung und des Imperialismus" und den Phänomenen Nation, Rassismus und Antisemitismus (94 f.). Inhaltsübersicht: Die Provokation: No Germans, No Holocaust; Die Reaktion der Linken; Warum wird Goldhagen abgewehrt?; Goldhagens Studie und die Gegenwart der BRD.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.352.312 Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Ulrike Becker / Frank Behn / Clara Fall / Matthias Küntzel / Wladimir Schneider / Jürgen Starck / Klaus Thörner / Rolf Woltersdorf: Goldhagen und die deutsche Linke oder Die Gegenwart des Holocaust Berlin: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4133-goldhagen-und-die-deutsche-linke-oder-die-gegenwart-des-holocaust_5840, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 5840 Rezension drucken
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