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/ 09.04.2015
Florian Becker / Mario Candeias / Janek Niggemann / Anne Steckner (Hrsg.)

Gramsci lesen. Einstiege in die Gefängnishefte

Hamburg: Argument 2013; 334 S.; brosch., 17,- €; ISBN 978-3-88619-356-1
In Teilen der Kultur‑ und Sprachwissenschaften schon lange Pflichtlektüre, gewinnen die Schriften Antonio Gramscis in den vergangenen Jahren auch in der Politikwissenschaft und Soziologie wieder zunehmend an Einfluss. Nicht nur, aber insbesondere Gramscis Auslegung von Hegemonie wird vermehrt herangezogen, um das Verständnis zeitgenössischer – politischer wie ökonomischer – Umbrüche und Entwicklungen zu erleichtern. Gramscis Hauptwerk, die sogenannten Gefängnishefte, besteht aus einer zehnbändigen Ansammlung von einzelnen Einlassungen und Notizen, die während der Haft des italienischen Kommunisten entstanden sind und erst in ihrer Gesamtschau ein einigermaßen komplettes Bild ergeben. Wer auf Gramscis Analysen aufbaut, greift deshalb in der Regel entweder auf Sekundärliteratur oder auf die 1971 zuerst in englischer Sprache erschienenen „Selections from the Prison Notebooks“ zurück – beide Vorgehensweisen bleiben notwendigerweise selektiv und leisten Verkürzungen und Missverständnissen Vorschub. Nun kann man den wenigsten Interessierten zumuten, sich mit zehn Bänden Gefängnisheften für ein Forschungsfreisemester zurückzuziehen. Deshalb möchten die Herausgeber_innen mit diesem Sammelband eine Einstiegshilfe in die Gramsci‑Lektüre schaffen. In zwölf thematischen Abteilungen wird jeweils zunächst eine Einführung in Gramscis Denken mit Blick auf das jeweilige Stichwort vorgelegt, gefolgt von einer Zusammenstellung zentraler Passagen aus den Originaltexten. Die Einführungen sind dabei bewusst kurz gehalten, um den Leser_innen zwar einerseits das für ein Verständnis der Textstellen notwendige Vorwissen an die Hand zu geben, ihnen bei der unerlässlichen Originallektüre aber dennoch eine eigenständige Interpretation zu ermöglichen. Natürlich ist auch die hier vorgelegte Zusammenstellung der Paragrafen zwangsläufig selektiv, wie die Herausgeber_innen selbst betonen. Sie halten es für unerlässlich, zur Vertiefung weitere Primär‑ wie Sekundärliteratur zu Rate zu ziehen. Umso bedauerlicher ist es, dass darauf verzichtet wurde, zum Abschluss jeder thematischen Abteilung einen kurzen Verweis auf weitere hilfreiche Textstellen, vertiefende Sekundärliteratur zum Thema sowie eventuell konkurrierende Interpretationen anzufügen. Ungeachtet dieses Kritikpunktes bietet das Buch einen der besten verfügbaren Einstiege in das Werk Antonio Gramscis und ist für das Selbststudium gleichermaßen geeignet wie für die Arbeit in Lesegruppen.
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Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Florian Becker / Mario Candeias / Janek Niggemann / Anne Steckner (Hrsg.): Gramsci lesen. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38260-gramsci-lesen_44044, veröffentlicht am 09.04.2015. Buch-Nr.: 44044 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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