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/ 12.06.2014
Ines Härtel (Hrsg.)

Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt. Band II: Probleme, Reformen, Perspektiven des deutschen Föderalismus

Heidelberg u. a.: Springer 2012; XLII, 808 S.; 139,95 €; ISBN 978-3-642-15522-2
Das Motto des zweiten Bandes ihres voluminösen Handbuchs formuliert die Herausgeberin gleich im Vorwort: „Anspruch und Wirklichkeit des deutschen föderativen Systems intrastaatlichen Typs traten […] im Laufe der Zeit auseinander“ (V). Vor diesem Hintergrund werden im ersten Teil die vermeintlichen und hinlänglich bekannten „Praxisprobleme“ des deutschen Bundesstaates problematisiert. Dass ein Teil der Autoren dabei die Leistungsfähigkeit einzelner föderaler Aspekte durchaus sachlich und positiv würdigt, während andere defätistische Defizitdiagnosen und radikale Reformvorschläge munter vermengen, wäre dabei noch verkraftbar. Ärgerlich an diesem insgesamt schwächsten Band des vierbändigen Handbuches (zu Band I siehe Buch‑Nr. 45120) ist vielmehr, dass hier verschiedenen, in den politischen Prozess involvierten Akteuren eine Plattform geboten wird, um eigene Positionen in einer epischen Breite darzustellen, die einem wissenschaftlichen Kompendium dieser Art nicht angemessen ist. Zudem ist ein Teil der Beiträge bereits zuvor an anderer Stelle publiziert worden und war schon bei Erscheinen veraltet. Positionspapiere der Stiftung Marktwirtschaft, der Bertelsmann Stiftung oder der kommunalen Spitzenverbände zu den Föderalismusreformkommissionen sollten einfach nicht unter State of the Art der (deutschen) Föderalismusforschung subsumiert werden. Denn teilweise ist die Argumentation derart normativ‑ontologisch verbrämt, dass zum Beispiel im Beitrag von Fuest/Thöne die Frage „Welchen Föderalismus wollen wir?“ (314) erst als Überschrift für den abschließenden Ausblick gewählt wurde – nachdem also die Autoren ihr wettbewerbsföderalistisches Modell als allein seligmachenden Reformansatz verkauft haben. Unverständlich bleibt auch, warum dieser Beitrag insgesamt die Eröffnung dieses Abschnitts bildet. Die deutlich sachlicheren Darstellungen von Leisner‑Egensperger und Wendt wären hier – auch ausgehend von der Logik der Finanzverfassung des Grundgesetzes – sinnvoller platziert gewesen. Auch der Beitrag von Kirchhof kommt in einer Dogmatik daher, die ihresgleichen sucht. Zwar wird darin wenigstens in sprachlich und ideengeschichtlich geschliffener Brillanz das konservative Verständnis öffentlicher Schulden hergeleitet. Da hier – ähnlich wie bei anderen Beiträgen – jedoch darauf verzichtet wurde, auch wissenschaftliche Gegenpositionen aufzunehmen, kann dieser Band schwerlich für sich reklamieren, die Breite der Diskussion abzubilden. Letztlich offenbart er damit aber auch ein grundlegendes Problem: Die deutsche Föderalismusforschung geht noch immer von theoretischen Annahmen aus, die seit den 1960er‑Jahren nicht mehr den sich gewandelten Rahmenbedingungen angepasst wurden.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 1.12.3252.32 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Ines Härtel (Hrsg.): Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt. Heidelberg u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37173-handbuch-foederalismus--foederalismus-als-demokratische-rechtsordnung-und-rechtskultur-in-deutschland-europa-und-der-welt_45121, veröffentlicht am 12.06.2014. Buch-Nr.: 45121 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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