/ 12.06.2014
Alexander Gallus (Hrsg.)
Helmut Schelsky – der politische Anti-Soziologe. Eine Neurezeption
Göttingen: Wallstein Verlag 2013; 243 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 978-3-8353-1297-5Gewiss gehört Helmut Schelsky zu jenen Soziologen der Bundesrepublik, die während der 1950er‑ und 1960er‑Jahre durch Lehre und Publikationen wesentlich zur Etablierung des Faches als akademischer Disziplin beigetragen haben. Wichtige institutionelle Etappen seiner Karriere waren die damalige Hamburger Akademie für Gemeinwirtschaft, die Universität Hamburg, die Sozialforschungsstelle Dortmund, die Universität Bielefeld – deren Gründungsvater er auch war – und schließlich die Universität Münster. Seine soziologisch gesehen einflussreichsten Arbeiten umfassen ein breites Themenspektrum; dazu gehören – neben methodologischen Fragen der Soziologie als empirisch ausgerichteter Disziplin – die Institutionentheorie und Rechtssoziologie sowie die Soziologie der Familie, der Jugend, der Sexualität, der Wissenschaft und Technik. Freilich wird das heutige Bild Schelskys stärker von deren aggressiv‑konservativer Wende bestimmt, der er in den 1970er‑Jahren mehr und mehr nachgab. Zu den bevorzugten Gegnern seiner überwiegend von Polemik geprägten Publikationen zählten Intellektuelle, Gewerkschaften und Medien ebenso wie Vertreter reformorientierter Demokratisierungsstrategien. Mit dieser zwischen Rationalismus und Anti‑Intellektualismus changierenden Erscheinung Schelskys setzen sich Autoren in den aus einer 2012 durchgeführten Tagung der TU Chemnitz hervorgegangenen Beiträgen auseinander. Sie versuchen, „unter Einbeziehung von soziologischen, philosophischen, historischen und politikwissenschaftlichen Perspektiven differenzierte, die Grautöne der Ambivalenz nutzende Antworten zu formulieren“ (15). Bei diesen Antworten überwiegen allerdings kritische Einschätzungen, die in Schelsky eher eine historische Figur der Auseinandersetzungen der Reflexionseliten der 1970er‑Jahre sehen (Nikolai Wehrs) und ihn ideengeschichtlich den Strömungen des Konservatismus der Weimarer Republik und einer von Gehlen beeinflussten technokratischen Institutionentheorie zuordnen (Klaus Dammann/Dominik Ghonghadze; Alfons Söllner; Gerhard Schäfer; Ellen Thümmler). Vorsichtige Argumente für eine Neurezeption beziehen sich auf Schelskys Untersuchungen zur Sozialstrukturanalyse (Clemens Albrecht), zur Sexualität (Patrick Wöhrle) und auf seine Überlegungen zu einer transzendentalen Theorie der Gesellschaft (Volker Gerhardt).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.46 | 5.43 | 5.42 | 2.313 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Alexander Gallus (Hrsg.): Helmut Schelsky – der politische Anti-Soziologe. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37170-helmut-schelsky--der-politische-anti-soziologe_44835, veröffentlicht am 12.06.2014. Buch-Nr.: 44835 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenDr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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