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/ 04.06.2013
Dietrich Beyrau (Hrsg.)

Im Dschungel der Macht. Intellektuelle Professionen unter Stalin und Hitler

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000; 399 S.; kart., 98,- DM; ISBN 3-525-36244-7
Zwischen Anpassung und Widerstand changierte im Allgemeinen das Verhalten der Intelligenzija in den beiden hier miteinander verglichenen totalitären Systemen, dem Russlands und dem Nazi-Deutschlands; doch es gab auch die Schrittmacher der ideologischen Gleichschaltung, die kein wissenschaftliches Ethos davon abhielt, sich bedingungslos in den Dienst des Ungeistes zu stellen. Dass in diesem Band vornehmlich das Verhältnis von Macht und Geist im stalinistischen Russland untersucht wird, ist deshalb besonders zu begrüßen, weil der intensiven Erforschung des NS-Systems bislang noch keine vergleichbare Erhellung der Strukturen stalinistischer Herrschaft gegenübersteht - gegenüberstehen konnte, da lange genug weder der politische Wille noch die wissenschaftlichen Möglichkeiten dafür bestanden. Um so interessanter ist nun der vergleichende Blick, der nicht nur Ähnlichkeiten, sondern auch Unterschiede zu Tage fördert, beispielsweise die Einschätzung, dass in Deutschland das Verhältnis zwischen Staat und Wissenschaft "längst nicht so konfrontativ wie im Sowjetrussland bis Mitte der dreissiger Jahre" (35) war. Einen informativen und klar strukturierten Überblick über die Problemlage und den thematischen Zusammenhang der Beiträge vermittelt die Einführung von Beyrau, in der auch noch einmal auf Unterschiede in der historischen Entwicklung hingewiesen wird. Inhalt: I. Das Abstecken der Grenzpfähle: Der Kampf um die Festung Wissenschaft: Alexei B. Kojevnikov: Dialoge über Macht und Wissen (45-64); Nikolai Korenjuk: Die Akademie der Wissenschaften der UdSSR als elitäre Korporation (65-83); Eduard I. Koltschinski: Dialektik als intellektueller Knüppel: Auf der Suche nach einer marxistischen Synthese zwischen Philosophie und Biologie (84-105); Tatjana P. Mironowa: Der Sturm auf die Agrarwissenschaften (106-120); Anschelina P. Kupaigorodskaja: Säuberung und Erziehung: Die kommunistische Parteiorganisation an der Leningrader Universität (121-145); Wladimir S. Sobolew: Aufblühen und Untergang der Landeskunde (146-156); Lutz-Dieter Behrendt: Der Nachlaß der Roten Kaderschmiede: Die Lebensläufe der Absolventen des Instituts der Roten Professur (157-169); Klaus Fischer: Repression und Privilegierung: Wissenschaftspolitik im Dritten Reich (170-194). II. Ideokratie und die Steuerung der Kultur: Tatjana M. Gorjajewa: Unterwerfung und Gleichschaltung des Rundfunks in der UdSSR (197-218); Denis L. Babitschenko: Aspekte einer Koexistenz: Literatur, Schriftsteller und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (219-243); Volker Dahm: Systemische Grundlagen und Lenkungsinstrumente der Kulturpolitik des Dritten Reiches (244-259); Bernd Faulenbach: Deformationen der Geschichtswissenschaft unter Hitler und Stalin (260-274); Juri S. Woronkow: Technostruktur und Stalinismus (275-299); Gennadi A. Bordjugow: Die Kosten des bolschewistischen Sprechens: Die Intelligenzija und der Sowjetpatriotismus (300-316). III. Interessen und Metaphern: Torsten Rüting: Der Kampf um Pawlows Erbe: Die Karriere des Physiologen Leon Orbeli (319-339); Kirill Rossijanow: Gefährliche Beziehungen: Experimentelle Biologie und ihre Protektoren (340-359); Hans-Walter Schmuhl: Rassenhygiene in Deutschland - Eugenik in der Sowjetunion: Ein Vergleich (360-377); Christoph Mick: Deutsche Fachleute in der sowjetischen Rüstungsforschung nach 1945 (378-391).
Barbara Zehnpfennnig (BZ)
Prof. Dr., Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.3122.62 Empfohlene Zitierweise: Barbara Zehnpfennnig, Rezension zu: Dietrich Beyrau (Hrsg.): Im Dschungel der Macht. Göttingen: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4696-im-dschungel-der-macht_14642, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14642 Rezension drucken
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