/ 21.01.2016
Julia Spohr
In Haft bei der Staatssicherheit. Das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen 1951-1989
Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2015 (Analysen und Dokumente 44); 430 S.; 34,99 €; ISBN 978-3-525-35120-8Geschichtswiss. Diss. Berlin; Begutachtung: A. Bauerkämpfer, P. Nolte. – In Berlin‑Hohenschönhausen lag bis 1989 das zentrale Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR und zugleich Hauptsitz des Untersuchungsorgans und des Haftvollzugs des MfS. Von hier aus wurde gegen Gegner_innen des SED‑Staates mit besonderer Bedeutung vorgegangen. Um bis zu 11.000 Personen soll es sich gehandelt haben, schreibt Julia Spohr. Darunter waren Oppositionelle, Bürgerrechtler_innen, unliebsam gewordene Personen aus den eigenen Reihen sowie auch NS‑Täter_innen. Spohr ist Mitarbeiterin des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), in deren wissenschaftlichen Reihe das Buch auch erscheint. In ihrer Studie untersucht die Autorin gegen wen, wann, wie und warum von Hohenschönhausen aus strafrechtlich ermittelt wurde und welche Praktiken bei der Behandlung der Häftlinge angewandt wurden. Weiterhin analysiert sie den Einfluss, den die Zentrale auf das gesamte MfS und die DDR‑Justiz, vor allem auf die Ausgestaltung und Umsetzung des politischen Strafrechts, hatte. Im Fokus steht für Spohr die institutionelle Bedeutung als „herrschaftssichernde Stütze der SED‑Diktatur“ (13). Häftlinge in Hohenschönhausen sollten durch „Isolation, ständige Überwachung und Kontrolle [sowie] permanente Reizarmut“ (232) ein Gefühl des vollkommenen Ausgeliefertseins vermittelt werden, um ihren Willen zu brechen. Eine psychische Destabilisierung sei dabei zumindest billigend in Kauf genommen worden, stellt Spohr fest und spricht von schikanösen Demütigungen. Aus Sicht des MfS sei diese Behandlung der Gefangenen durchaus ‚erfolgreich‘ gewesen: Im Jahr 1975 sei nur bei fünf Prozent der Erstvernommenen letztlich kein Geständnis oder Teilgeständnis erreicht worden. Spohr resümiert, dass die MfS‑Zentrale als „Mittel zur Beseitigung und geheimdienstlicher Ergründung politischer Gegnerschaft und sicherheitsrelevanter Verfehlungen“ (386) bis 1989 eine tragende Rolle im SED‑Regime behielt.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Julia Spohr: In Haft bei der Staatssicherheit. Göttingen u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39291-in-haft-bei-der-staatssicherheit_47818, veröffentlicht am 21.01.2016. Buch-Nr.: 47818 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA