/ 18.12.2014
Franz-Theo Gottwald / Anita Krätzer
Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014 (edition unseld 51); 176 S.; 14,- €; ISBN 978-3-518-26051-7Der harmlos klingende Begriff Bioökonomie suggeriert eine Neuausrichtung der Wirtschaft nach ökologischen Prinzipien – doch tatsächlich, so der Ausgangspunkt dieser kurzweilig zu lesenden Streitschrift, steht er für die gewinnmaximierende Inwertsetzung und restlose Ausbeutung der Natur. Anita Krätzer und Franz‑Theo Gottwald beschreiben, wie sich derzeit ein Netzwerk aus Unternehmen der Biotechnologie, Agrar‑, Pharma‑ und Chemieindustrie unter Beteiligung von Forschung, Politik und Großinvestoren herausbildet und mit enormem Aufwand eine gefährliche „Ökonomisierung des Biologischen“ (12) betreibt. Sie skizzieren die verschiedenen technologischen Handlungsfelder der Bioökonomie, erläutern die Ziele, Programme und – am Beispiel Deutschlands, das innerhalb der EU eine Vorreiterrolle beansprucht – die Hauptakteure dieser Politik. Deutlich werden so die personellen Verstrickungen und hintergründigen Interessenlagen. Ein hervorstechendes Beispiel ist der dargestellte, sich selbst als unabhängiges Beratungsgremium definierende Bioökonomierat, der als „wichtigste Instanz in Sachen Bioökonomie“ (44) fungiert und in dem einschlägige Konzerne und Forschungsinstitute vertreten sind. „Das vehemente Eintreten des Bioökonomierats für Gentechnik, industriellen Landbau und ein Zurückdrängen des Naturschutzes verwundert daher nicht“, schreiben Gottwald und Krätzer und sind erstaunt, „wie schnell, umfassend und kritiklos die deutsche Bundesregierung den Empfehlungen und Forderungen des Bioökonomierats gefolgt ist“ (51). Das Autorenduo setzt sich in den weiteren Kapiteln kritisch mit den Nutzenversprechen der Bioökonomie auseinander und beschreibt, welcher rhetorischen Mittel sich die Akteure bedienen, um dem wachsenden Akzeptanzproblem in der Bevölkerung zu begegnen. Insgesamt geht es Gottwald und Krätzer darum, die der Bioökonomie zugrunde liegenden Denk‑ und Handlungsmuster aufzudecken. So verhindere die verkürzte Rationalität der westlichen Wissenschaft ein Nachdenken über komplexe Systeme und vielschichtige Wirkungszusammenhänge – mit dem Risiko unabsehbarer und nur begrenzt beherrschbarer Folgen. Diesem unreflektierten und zügellosen Agieren stellen sie ihre Vorstellungen einer ökologisch‑systemischen Forschung entgegen und plädieren für eine an den Prinzipien der Vorsorge, Verantwortung, Generationengerechtigkeit und Biodiversität ausgerichtete Wirtschaft.
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Rubrizierung: 2.343 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Franz-Theo Gottwald / Anita Krätzer: Irrweg Bioökonomie. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37902-irrweg-biooekonomie_45053, veröffentlicht am 18.12.2014. Buch-Nr.: 45053 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA