Der Epochenumbruch von 1989 werde in seinen Folgen „verdüstert und verjammert“ (313), schreibt Neubert, Fachbereichsleiter in der Abteilung Bildung und Forschung bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die Vereinigung werde auf ihre bürokratischen, ökonomischen und sozialen Aspekte reduziert, die Leistung der ostdeutschen Gesellschaft dagegen, eine Diktatur abgeworfen zu haben, nicht zur Kenntnis genommen. Statt die Revolution von 1989 als „Gründungslegende“ (320) der neuen gesamtdeutschen Republik positiv zu nutzen, ergehe sich die politische Klasse des Westens in einem „Erlebnisneid“ (319). Neubert tritt mit dieser engagierten Analyse in die Herausgeberschaft des Jahrbuches ein, weitere neue Herausgeber sind der Bochumer Historiker Faulenbach und der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin, Wilke. Ausgeschieden sind Egbert Jahn und Günter Braun. Mit diesem Wechsel zieht das Jahrbuch von der Universität Mannheim, wo es 1993 von Hermann Weber begründet wurde, nach Berlin um und erscheint erstmals im Auftrag der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Konzeption ist unverändert geblieben, sodass wieder ein breites Themenfeld abgesteckt wird. Lediglich im Kapitel „Forum“ ist die DDR-Geschichte als thematischer Schwerpunkt auszumachen (zum Jahrbuch 2003 siehe ZPol 1/04: 152). Aus dem Inhalt: Abhandlungen Jean-Jacques Marie: Stalin und der Stalinismus: Rückkehr zu den Ursprüngen (11-31) Verena Moritz / Hannes Leidinger: Wien als Standort der Kommunistischen Internationale bis Mitte der Zwanzigerjahre (32-63) Cosroe Chaqueri: Taqi Arani and the Comintern: the Revolutionary Republican Party of Persia in the 1920s and the 1930s (64-79) Matthias Uhl: „Und deshalb besteht die Aufgabe darin, die Aufklärung wieder auf die Füße zu stellen“ - Zu den Großen Säuberungen in der sowjetischen Militäraufklärung 1937/38 (80-97) Bernd Faulenbach: Zur Rolle von Totalitarismus- und Sozialfaschismus-„Theorien“ im Verhältnis von Sozialdemokraten und Kommunisten in der Weimarer Republik (98-110) Wilhelm Mensing: Vertrauensleute kommunistischer Herkunft bei der Gestapo und den NS-Nachrichtendiensten am Beispiel von Rhein und Ruhr (111-130) Till Kössler: Kaderpartei oder Milieupartei? Die KPD in Westdeutschland 1945 bis 1960 (131-155) Christoph Thonfeld: Vergangenheitspolitische Rechtsprechung als Indikator politischen und gesellschaftlichen Wandels in der SBZ/DDR 1945 bis 1951 (156-166) Heike Amos: Die SED-Entwürfe zu einer Reichs- und Länderverfassung 1946/47 (167-180) Dokumentation Bernhard H. Bayerlein: Das neue Babylon - Strukturen und Netzwerke der Kommunistischen Internationale und ihre Klassifizierung (181-270) Alexander Vatlin: Selbstzeugnisse der Täter des Stalinschen Terrors 1937/38 (271-277) Michail Prozumenš?ikov: Der Rücktritt Nikita Chruš?evs im Oktober 1964. Unbekannte Dokumente aus dem Russischen Staatsarchiv für Neuere Geschichte (RGANI) (278-303) Forum Samson Madievski: Drei Mal Lenin? - Zum 80. Todestag des russischen Revolutionärs (304-312) Ehrhart Neubert: Die Revolution 1989 und die schwierige Erinnerung 15 Jahre danach (313-320) Manfred Wilke: Anmerkungen zur ungeschriebenen Geschichte der SED (321-332) Wilfriede Otto: Zweierlei Geschichtsschreibung? Eine Replik auf Werner Müller (333-347) Wolfgang Leonhard: Verfolgt von Hitler und Stalin - Deutsche Kommunisten im 20. Jahrhundert (348-354) Forschungsberichte Patrice G. Poutrus: Zuflucht im Ausreiseland - Zur Geschichte des politischen Asyls in der DDR (355-378) Sammelrezensionen Hermann Weber: Trotzki und der Trotzkismus (379-390) Iring Fetscher: Die vergessene deutsche Oktoberrevolution 1923 (391-394) Eckhard Jesse: Universitäten in der DDR und anderswo (395-405) Wolfgang Schuller: Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung - Festschrift zum 75. Geburtstag Hermann Webers (406-412)