/ 07.01.2016
Esben Sloth Andersen
Joseph A. Schumpeter. Eine Theorie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Evolution. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Atzert
Berlin: Duncker & Humblot 2015; 313 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-428-14010-7Der an der Universität Aalborg lehrende Schumpeter‑Experte Esben Sloth Andersen will in diesem Buch einen Überblick über allgemeine Merkmale und die innere Weiterentwicklung in Schumpeters Werk ausarbeiten. Konkret handelt es sich um die gekürzte Ausgabe seiner 2009 erschienen Publikation „Schumpeter's Evolutionary Economics“. Andersen legt damit eine intellektuelle Biografie vor, die vor allem den Gang seines wirtschaftswissenschaftlichen Werkes nachzeichnet. Für Politikwissenschaftler aufschlussreich ist die Darstellung dort, wo erkennbar wird, wie Schumpeter bestimmte politisch‑kulturelle Begriffe in die Ökonomie einführt, zugleich aber gewisse Denkfiguren aus der Theorie der wirtschaftlichen Evolutionen auf politische und soziale Phänomene zurücküberträgt. Andersen beschreibt vollkommen plausibel diesen inneren Dialog zwischen Sozial‑ und Wirtschaftswissenschaften und verzichtet dabei auf allzu große Wertungen. Seine Sympathien zum Sujet werden dort deutlich, wo er Schumpeter als einen um die Sache streitenden und lernenden Akademiker beschreibt und dadurch mitunter manche politische Pointen etwas abmindert. Ein skeptischer politischer Ideenhistoriker würde bohrender nach dem zunächst von Schumpeter sehr stark hervorgehobenen, später aber in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ nur noch nachhallenden Zusammenhang von Unternehmer und Führer fragen. Dies mag man als Manko empfinden, öffnet aber mehr Raum für die Darstellung des theoretischen Werkes. Schumpeters Schriften, das wird mit der Lektüre deutlich, werden zwar von bestimmten Grundannahmen getragen, diese konnte er aber nicht zuletzt aufgrund seines frühen Todes zu keiner geschlossenen Theorie zusammenfügen. Ein weiterer Grund für die Unabgeschlossenheit des Werkes und, bei allen rhetorischen Ehrbezeugungen, übersichtliche Rezeption Schumpeters liegt aber wohl auch in seiner tiefen Erschütterung und Sorge über die Zukunft des Kapitalismus seit den 1940er‑Jahren. Die posthum veröffentlichte und mitunter missachtete „History of Economic Analysis“ ist nicht nur ein Selbstverständigungsversuch, sondern veranschaulicht auch die Kluft zwischen einem historischen Denken der Jahrhundertwende und den formalistisch‑konstruktivistischen Ansätzen der Gegenwart.
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Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Esben Sloth Andersen: Joseph A. Schumpeter. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39237-joseph-a-schumpeter_47764, veröffentlicht am 07.01.2016. Buch-Nr.: 47764 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA