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/ 04.06.2013
Heinrich Küppers

Joseph Wirth. Parlamentarier, Minister und Kanzler der Weimarer Republik

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1997 (Historische Mitteilungen, Beiheft 27); 356 S.; kart., 136,- DM; ISBN 3-515-07012-5
Wirth (1879 - 1956) weist vor 1918 eine ähnliche Grundhaltung auf wie viele seiner politischen Zeitgenossen in der Weimarer Republik: monarchisch gesonnen, aber kritisch gegenüber den politischen Realitäten des Kaiserreiches, die sich im Ersten Weltkrieg auf die Vorherrschaft der Obersten Heeresleitung zuspitzen und den Reichstag bis in die letzten Monate des Krieges hinein zu einem Akklamationsorgan degenerieren lassen. Rhetorisch hoch begabt, "Gesinnungspolitiker und Moralist", für den "Demokratie und Republik zur Herzenssache" wird, dem es jedoch schwerfällt, "zweckgebundene Vorstellungen von Politik zu tolerieren" (35): Mit diesen Eigenschaften ist der Zentrumspolitiker Wirth nach 1918 dazu prädestiniert, eine steile Karriere anzutreten, aber später dennoch zu scheitern. Er wird zunächst Finanzminister in der Nachfolge Erzbergers, dann Reichskanzler, der zusammen mit seinem Außenminister Rathenau den Rapallo-Vertrag aushandelt. Zum Ende der Weimarer Republik riskiert Wirth durch seinen eigensinnigen Kurs gegen alle, die rechts von ihm stehen, einen Bruch seiner Partei. Als Innenminister ist der überzeugte Republikaner 1930/31 dem Reichspräsidenten Hindenburg unbequem und wird auf Intervention des Feldmarschalls entlassen. 1933 stimmt Wirth dem Ermächtigungsgesetz zu, emigriert aber in die Schweiz. Nach 1948 versucht er sich ohne Erfolg am gesamtdeutschen Ausgleich und kommt dabei unweigerlich in Gegensatz zu Konrad Adenauer, mit dem er 1921 in Konkurrenz zur Reichskanzlerschaft gestanden hatte. Küppers liefert eine lesenswerte Biographie Wirths. Neben der politischen Ereignisgeschichte bietet der Autor auch einen Erklärungsansatz dafür, weshalb ein Vollblutpolitiker wie Wirth letztendlich scheitern mußte bzw. er trotz seiner republikanischen Überzeugung gerade zum Untergang der Republik beitrug: Er war unfähig, realpolitische Koalitionen einzugehen, und verlor sich im tagespolitischen Gezänk der staatstragenden Parteien.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.3112.3 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Heinrich Küppers: Joseph Wirth. Stuttgart: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3771-joseph-wirth_5048, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 5048 Rezension drucken
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