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/ 03.03.2016
Eva Maria Bachinger

Kind auf Bestellung. Ein Plädoyer für klare Grenzen

Wien: Deuticke 2015; 254 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-552-06296-2
Angesichts der Fortschritte in der modernen Fortpflanzungsmedizin und der jüngsten nachhaltigen Liberalisierung der einschlägigen Gesetzgebung in Österreich ist das „Kind auf Bestellung“ keine Utopie mehr. Notwendigerweise stellt sich dabei die Frage nach den medizinisch‑ethischen Grenzen, denn nicht alles, was technisch möglich ist, sollte auch gleich in die Tat umgesetzt werden: „Kinder sind nicht selbstverständlich. Doch man will sich nicht mehr nur auf Glück oder Fügung verlassen. In einer Konsumgesellschaft, in der alles planbar erscheint, muss auch alles machbar sein.“ (9) Eva Maria Bachinger geht es in ihrem Buch um den Verlauf genau jener Grenze, die bei der Fortpflanzung das medizinisch Notwendige vom technisch Machbaren trennt. Die damit eröffnete Debatte um das Projekt Kind ist alles andere als leicht, was sich schon anhand der Konstellation der involvierten Personen ablesen lässt: Neben den Eltern sind das die Ärzte und das betroffene Kind selbst. Trotz aller Pluralität der Lebensentwürfe bestehe für Paare immer noch der Druck, sich für etwaige Kinderlosigkeit rechtfertigen zu müssen – „ein Drama, vor allem für Frauen“ (32). Vermeintliche Rollenvorbilder, wie Ursula von der Leyen (sieben Kinder) oder Angelina Jolie (drei leibliche und drei Adoptivkinder), erhöhten diesen Druck zusätzlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufe Unfruchtbarkeit und das Leiden an den daraus resultierenden psychischen Folgen als Krankheit ein – ein reproduktionsmedizinisches Einfallstor also, das allerdings trügerisch sei. Denn die Medizin, so Bachinger, „kann hier […] nicht heilen, sie kann mit viel Glück, Zeit und Geld zu einem Kind verhelfen“ (39). Um diesen Machbarkeitsfetisch herum habe sich eine ganze Industrie etabliert, die – angefangen von der Eizelle über die Präimplantationsdiagnostik (PID) zur „Auslese“ des „besten Embryos“ (182) bis hin zur Leihmutter aus Osteuropa oder Asien – alles beschaffen könne, Bonität der Planer_innen vorausgesetzt. Die Chance für behinderte Föten, überhaupt ihre Geburt zu erleben, sinke damit gegen null, was „in Zeiten enger Budgets [...] [des] Staats zur Unterstützung von Behinderten“ (211) nicht einer gewissen ökonomischen Folgerichtigkeit entbehre. Am Ende des weniger wissenschaftlich analytischen als vielmehr engagiert argumentierten Buches – nicht umsonst nennt Bachinger es ein Plädoyer – stehen zwei fundamental wichtige Grenzziehungen: Es gibt kein Recht auf ein Kind. Und Kinder wiederum haben ein Recht darauf, nicht designt und so zur Ware gemacht zu werden.
{LEM}
Rubrizierung: 5.442.263 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Eva Maria Bachinger: Kind auf Bestellung. Wien: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39474-kind-auf-bestellung_47583, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 47583 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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