/ 30.01.2014
Werner Hörtner
Kolumbien am Scheideweg. Ein Land zwischen Krieg und Frieden
Zürich: Rotpunktverlag 2013; 292 S.; brosch., 27,- €; ISBN 978-3-85869-559-8Kolumbien stand und steht – auch wenn man heute, wie Werner Hörtner gleich betont, ohne nennenswerte Sicherheitsbedenken im Land reisen kann – in vielerlei Hinsicht schon seit Jahrzehnten paradigmatisch für eine prekäre Sicherheitslage. In den 1980er‑Jahren wurde „die Gewalt schließlich zu einem Alltagsphänomen, angeheizt von Paramilitarismus, Drogenhandel, Guerilla und Staatsterrorismus“ (10). Diese Gewaltspirale habe, so Hörtners Erläuterungen, ihre Ursache in der wechselseitigen Verhärtung der Fronten: Während die staatlichen Sicherheitskräfte hinter allen Kritikern des Systems subversive Kräfte gesehen hätten und versuchen wollten, diese zu eliminieren, habe sich die Guerilla, solcherart in die Enge gedrängt, nur durch illegale Praktiken, wie zum Beispiel Schutzgelderpressungen oder Drogenhandel, überhaupt hinreichend finanzieren können, um ihren – gewaltsamen – Protest fortzusetzen. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends habe unter Präsident Álvaro Uribe die Möglichkeit bestanden, diese Gewaltspirale zu durchbrechen. Da Uribe aber selbst durch seine eigenen Kontakte zu Paramilitärs und zum Drogenhandel alles andere als unbeteiligt oder gar unschuldig an der kolumbianischen Misere ist, avancieren seine Person und der immer noch nicht hinreichend erforschte „Uribismus“ zum zentralen Untersuchungsgegenstand Hörtners. Durch sein Versprechen, den kolumbianischen Dauerkonflikt nicht bloß am Verhandlungstisch, sondern seinerseits „mit Gewalt, mit Gesetz und Ordnung“ (137) zu beenden, war Uribe für eine von der gescheiterten Friedenspolitik seines Vorgängers Andrés Pastrana enttäuschte Bevölkerung zum großen politischen Hoffnungsträger geworden. Und in der Tat stehe auf der Habenseite seiner Präsidentschaft, der breiten „Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit und der freien Mobilität“ (222) zurückgegeben zu haben – nicht zuletzt durch einen massiven Ausbau der Sicherheitskräfte. Die Perspektiven für die künftige demokratische Entwicklung Kolumbiens hingen indes auch von anderen Faktoren ab, etwa von der erfolgreichen Umsetzung der vom Nachfolger Uribes Juan Manuel Santos angekündigten „historischen Agrarreform“ (247). Insgesamt, so Hörtner, sei die Zukunft Kolumbiens gegenwärtig weitgehend offen. Viel hänge davon ab, inwiefern eine Aufarbeitung der vergangenen Konflikte zwischen Staat und Rebellen gelinge und ob der Dialog der verschiedenen politischen Lager von der Linken bis hin zur Rechten weitergeführt werde. Der materialreiche und klar verständlich geschriebene Band ist eine Bereicherung für jeden, der zum Thema Kolumbien arbeitet oder sich aus anderen Gründen für das Land interessiert.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.65 | 2.21 | 2.263 | 2.24 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Werner Hörtner: Kolumbien am Scheideweg. Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36666-kolumbien-am-scheideweg_44677, veröffentlicht am 30.01.2014.
Buch-Nr.: 44677
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Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
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