/ 04.06.2013
Dietrich Budäus / Gernod Grüning
Kommunitarismus - eine Reformperspektive? Eine kritische Analyse kommunitaristischer Vorstellungen zur Gesellschafts- und Verwaltungsreform
Berlin: edition sigma 1997 (Modernisierung des öffentlichen Sektors 10); 98 S.; 16,80 DM; ISBN 3-89404-730-5Standen in den bisherigen Bänden der Reihe konkrete Reformaspekte der öffentlichen Verwaltung im Mittelpunkt, so legen Budäus und Grüning den Schwerpunkt auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunitarismus. Den Ausgang bildet eine distanzierte Darstellung kommunitaristischer Grundpositionen, Gesellschaftskritik und Reformperspektiven; überwiegend werden Etzioni und das "Kommunitaristische Positionspapier" von 1991 referiert, daneben jedoch auch die verschiedenen internen Strömungen - von Barber bis Taylor - vorgestellt.
In der Gegenüberstellung von liberalen und kommunitaristischen Vorstellungen und unter Rückgriff auf Rawls, Popper und Olsen decken die Autoren zentrale Widersprüche und Probleme der Konzeption auf. Im ersten Schritt werden die Grundannahmen und die Argumentationsstruktur betrachtet und eine "Tendenz zur 'emotionalen' Vernebelung" (53) identifiziert. Schon auf dieser Ebene fällt die Kritik deutlich aus: "Die Werte, die Etzioni als die neuen kommunitaristischen Werte anbietet, heißen: keine rassistische oder sexistische Diskriminierung, Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe, Respekt vor anderen und Beachtung der Menschenwürde [...]. Es handelt sich hierbei aber um nichts anderes als um grundlegende liberale Werte, eben solche, die sich auch aus den Grundprinzipien von Rawls herleiten lassen. An entscheidender Stelle mangelt es der kommunitaristischen Bewegung an Eigenständigkeit und Originalität." (56 f.)
Deutlicher noch werden die Autoren, indem sie sich den Konsequenzen kommunitaristischer Gesellschaftsmodelle zuwenden. Obwohl angesichts offensichtlicher Probleme moderner Gesellschaften viele Menschen die Grundideen "intuitiv unterstützen würden" (68), bleibt die angestrebte kollektivistische Gesellschaft nicht ohne Risiken: "Die Gruppendynamik, die die Kommunitaristen heraufbeschwören, trägt die Gefahren von Uniformitätsdruck, Paternalismus und Totalitarismus in sich. Eine solche Entwicklung wird nur dann nicht eintreten, wenn die ausgesprochen positiven Vorstellung von der Natur des Menschen, die impliziert in den kommunitaristischen Vorstellungen enthalten sind, zutreffen." (68 ff.) Dies erscheint den Autoren mindestens zweifelhaft.
Vor dem Hintergrund dieser vernichtenden Bilanz bleibt die Auseinandersetzung mit den kommunitaristischen Vorschlägen zur Verwaltungsreform fast eine Formsache. Abgesehen von einigen isolierten Aspekten, wie dem Subsidiaritätsprinzip oder der Einbeziehung des Bürgers in die Leistungserstellung, kommen die Autoren zu dem Fazit: "Die damit verbundenen Partizipationsforderungen im Sinne einer 'starken Demokratie' und die Bewegung in Richtung einer geschlossenen Gesellschaft sind [...] inakzeptabel." (91)
Christoph Emminghaus (cem)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 5.4 | 2.331 | 2.325
Empfohlene Zitierweise: Christoph Emminghaus, Rezension zu: Dietrich Budäus / Gernod Grüning: Kommunitarismus - eine Reformperspektive? Berlin: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3650-kommunitarismus---eine-reformperspektive_4862, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 4862
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Dr., Politikwissenschaftler.
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