Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Beitrag zu der seit zwei Jahrzehnten geführten Debatte über das "Ende der Moderne", insbesondere in ihrer in jüngster Zeit zu beobachtenden Zuspitzung auf die These, mit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Regierungssysteme und der damit vielfach verknüpften Bankrotterklärung linker bzw. marxistischer Fortschrittsvorstellungen sei das "Ende der (modernen) Geschichte" (Fukuyama) erreicht. Giddens teilt diese Auffassung nicht. Er hält sie vielmehr für das Produkt einer unzureichenden Reflexion der eigentümlichen Dynamik, welche den historischen Prozeß seit dem Beginn der Moderne im 17. Jahrhundert vor allem gekennzeichnet und bestimmt habe. Diese Dynamik sei nicht als logischer und konsequent-linearer Fortschritt der Entwicklung der Gesellschaftsverhältnisse zu interpretieren, unabhängig davon, ob die Qualität dieses Fortschritts als radikale (etwa bei Marx) oder gemäßigte (zum Beispiel bei Max Weber) angenommen werde. Die "Konsequenzen der Moderne" sind nach Giddens nicht als logisch zusammenhängende zu begreifen, sondern werden in erster Linie durch das sich verschärfende Auseinandertreten der Erfahrungseinheiten von Raum und Zeit sowie durch die dialektische Wechselwirkung der sozialen Mechanismen von Produktion und Reflexion bestimmt. Der Zerfall der einheitsstiftenden und -erhaltenden Wahrnehmung ermöglicht - zum Preis der traditionell fundierten Sicherheit - die selbstbewußte Reflexion widersprüchlicher Erfahrungen und Erscheinungen durch das Individuum im Rahmen sehr großer sozialer Kollektive. Aber, so die zentrale These, er erlaubt keinerlei annähernd "ihrer Sache" sichere Voraussage oder bewußte Steuerung der weiteren Entwicklung der disparaten sozialen Prozesse, die sich in der modernen Zeit im Gang befinden.