Bei der Niederschrift ihrer Lebenserinnerungen ging es der Sozialreformerin Alice Salomon (1872-1948) nicht in erster Linie um ein persönliches Erinnern, sondern um einen Beitrag zum Verständnis der tief liegenden Wurzeln des deutschen Nationalismus, der sich im Nationalsozialismus manifestierte – und schwerwiegende Folgen auch für ihr Leben hatte. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft war ihr schon zu Beginn der 20er-Jahre der Vorsitz im Bund deutscher Frauenvereine verweigert worden – eine Zäsur, die später ihre Berufung als Präsidentin des Internationalen Frauenbundes verhinderte. Neben ihrem Engagement für Frauenrechte lag ein Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Gestaltung der Ausbildung zur Sozialarbeit in Deutschland. Allerdings stieß ihr konsequenter Einsatz für sozialreformerische Konzepte schon sehr bald auf konservative und nationalistische Vorbehalte. 1937 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft und ihrer internationalen Verbindungen zur Emigration gezwungen. Über England gelangte sie in die Vereinigten Staaten und lebte dann in New York. Dort wurde sie 1946 zur Ehrenpräsidentin des Internationalen Komitees Sozialer Schulen und 1947 zur Ehrenpräsidentin des Internationalen Frauenbundes ernannt. Dort verfasste sie auch ihre Biografie, die zu ihren Lebzeiten unveröffentlicht blieb. Mit der Herausgabe der Lebenserinnerungen würdigt die Alice Salomon Hochschule Berlin nun ihre Namensgeberin, die bereits vor hundert Jahren das Konzept eines Theorie-Praxis-Verbundes mit integriertem multidisziplinärem Ansatz für die soziale Ausbildung entwickelte und sich ein Leben lang mit Deutschland eng verbunden fühlte.