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/ 17.09.2015
Francesco Tomasoni

Ludwig Feuerbach. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung seines Werkes. Übersetzung aus dem Italienischen von Gunnhild Schneider

Münster/New York: Waxmann Verlag 2015 (Internationale Feuerbachforschung 6); 448 S.; geb., 68,- €; ISBN 978-3-8309-3213-0
Wer kennt sie nicht, die berüchtigte elfte These über Feuerbach, wonach, wie Marx im Frühjahr 1845 notierte, die Philosophen die Welt bisher nur verschiedentlich interpretiert haben, es aber darauf ankommt, sie zu verändern. Die sich hierin ausdrückende materialistische Geschichtsauffassung ist in Auseinandersetzung mit Ludwig Feuerbach (1804‑1872) entstanden, den Francesco Tomasoni in seiner historisch‑biografischen Rekonstruktion (italienische Originalausgabe von 2011) als einen undogmatischen, vielfältig interessierten Denker vorstellt. In einer von ihren Begabungen und Anlagen überaus facettenreichen Familie als „der Ausgeglichenste“ (30) aufgewachsen, war für Feuerbachs akademisches Wirken der beständige Wechsel zwischen Philosophie und Theologie – was typisch war für die Zeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein – konstitutiv. Bereits in seiner Dissertation „De ratione una, universalia, infinita“ (1828) drückte sich, so Tomasoni, in Auseinandersetzung mit Hegel, Fichte und Giordano Bruno jenes idealistische Primat der Vernunft aus, das Marx so radikal ablehnt: Es gelte „auf die Vernunft [zu] vertrauen, um die lebende Einheit des organischen Körpers zu begreifen“ (69). Noch wesentlich einschlägiger ist indes Feuerbachs Kritik an der christlichen Religion. Die in „Das Wesen des Christentums“ (1841) vorgetragene Religionskritik gründet auf der im Rahmen von Feuerbachs Vorlesungen in Erlangen entwickelten „idealistischen Auffassung“ (208). Diese führte ihn zu der Einsicht, dass „der einzige Gott der Religion [...] also der Gott ‚für mich‘, das intimste Objekt meines Bewusstseins“ (210) ist – und somit durch den Verstand konstruiert. Der Widerspruch dieser Vorstellung zur Idee allmächtiger Göttlichkeit ist nicht aufzulösen: „Der empirische Mensch mit all seiner Sinnlichkeit und Einbildung wird neubewertet, doch ohne die aus den Begriffen Wesen, Selbstbewusstsein und Gattung bestehende idealistische Ausrichtung zu untergraben.“ (230) Feuerbach hier aus materialistischer Perspektive vorzuhalten, er sei mit seiner Kritik als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet, sei nicht haltbar, so Tomasoni. Für Feuerbach sei die Religion letztlich „eine sich dem abstrakten Denken entziehende Konkretheit“ (231) geblieben. Als solche ermöglichte sie dem Philosophen Erkenntnisgewinne – so, wie es bei Marx die Welt mitsamt all ihren Verwerfungen getan hat.
{LEM}
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Francesco Tomasoni: Ludwig Feuerbach. Münster/New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38878-ludwig-feuerbach_47236, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47236 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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