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/ 26.06.2014
Eric Hilgendorf (Hrsg.)

Menschenwürde und Demütigung. Die Menschenwürdekonzeption Avishai Margalits

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Schriftenreihe des Zentrums für rechtswissenschaftliche Grundlagenforschung Würzburg 6); 165 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8487-0744-7
Der israelische Philosoph Avishai Margalit und die von ihm vertretene Konzeption der Menschenwürde, die er in „The Decent Society“ (dt. „Politik der Würde“, 1996) dargelegt hat, haben in der deutschen Politikwissenschaft, vorsichtig formuliert, eine untergeordnete Rolle gespielt – zu Unrecht, wie die in diesem Tagungsband versammelten Beiträge zeigen. Denn die Frage nach den Grenzen der Einschränkung von Grundrechten im Zuge der Ausweitung von Exekutivkompetenzen ist nicht nur politisch hoch aktuell und brisant, sie tangiert auch ganz unmittelbar die Qualität der Garantie der Menschenwürde wie sie etwa das Grundgesetz unverbrüchlich vorsieht. Menschenwürde könne, so betont Ignacio Czeguhn in seinem Beitrag gleich zu Beginn, als ein Seismograf dienen, „der anzeigt, was für eine demokratische Rechtsordnung konstitutiv ist. Und konstitutiv sind genau jene Rechte, die Bürger sich geben müssen, um sich gegenseitig als Freie und Gleiche überhaupt achten zu können“ (9). Wann diese Rechte intakt sind und wann nicht mehr, deutet Jan C. Joerden in seinem Vergleich der Konzeptionen von Menschenwürde bei Kant und Margalit an. Jede Verletzung von Menschenwürde bezeichnet Letzterer als „Demütigung“ (37). In einer „anständigen Gesellschaft“ (47) – von Margalit parallel zu Kants Republik entworfen – gelte es, die Freiheit des Einzelnen, verstanden als Äquivalent zur Menschenwürde, maximal zu schützen. In der gezügelten (Despotismus) und der totalitären (Barbarei) Gesellschaft sei das klar und eindeutig nicht mehr der Fall. Joerden sieht den Entwurf der Menschenwürde und seine möglichen institutionalisierten Absicherungen eindeutig in der Tradition der kantischen Aufklärung – auch etwa dann, wenn Margalit jede Institution per se als Angriff auf die Würde des Menschen begreift, da diese in seine Freiheiten interveniere. Peter Schaber gelingt es dann, noch einmal pointiert auf den Punkt zu bringen, worauf all dieses Nachdenken in kantischer Tradition hinausläuft: „Es ist die normative Autorität von Personen über sich selbst, die uns als Personen gegenseitig verpflichtet. [...] Würde ist ein Anspruch, der zu achten ist.“ (60) So – diese Formulierung sei hier gestattet, denn sie ist alles andere als despektierlich gemeint und in Zeiten der Diskussion über solche Perversionen wie die „Rettungsfolter“ bedarf es unmissverständlicher Klarheit –, so einfach ist das.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.444.425.332.635.46 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Eric Hilgendorf (Hrsg.): Menschenwürde und Demütigung. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37228-menschenwuerde-und-demuetigung_45575, veröffentlicht am 26.06.2014. Buch-Nr.: 45575 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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