/ 03.06.2013
Dirk Hartmann / Peter Janich (Hrsg.)
Methodischer Kulturalismus. Zwischen Naturalismus und Postmoderne
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1996; 438 S.; 29,80 DM; ISBN 3-518-28872-5Es handelt sich hier um eine philosophische Programmschrift, deren Beiträge ausnahmslos aus der Feder von Doktoranden und Habilitanden Janichs und diesem selbst stammen. Unter verschiedenen Aspekten wird von den Autoren der "methodische Kulturalismus" vorgestellt, eine philosophische Richtung, die zwar ihre geistigen Wurzeln im Konstruktivismus der "Erlanger Schule" hat, deren Programm aber durch eine erweiterte Fragestellung und herausgefordert durch neue Entwicklungen in Philosophie und Wissenschaften verläßt. Das generelle Anliegen des methodischen Kulturalismus ist eine methodisch-systematische Kulturkritik jenseits eines naturalistischen Reduktionismus einerseits und eines Kulturrelativismus andererseits.
Ausgangspunkt und einigendes Band solchen Philosophierens sind ein Verständnis des Menschen als eines handelnden Kulturwesens. Von hier aus werden dann auch die kulturalistischen Rekonstruktionen der (Natur-)Wissenschaften, der Wissenschaftstheorie, der Erkenntnistheorie und der Ethik vorgenommen. Zwar befaßt sich keiner der Autoren mit politiktheoretischen Fragestellungen oder mit philosophischen Grundfragen der Politikwissenschaft, jedoch sind zum einen einige der Beiträge von unmittelbarer Relevanz auch für die politische Theorie, zum anderen zeigen die Aufsätze generell, daß der kulturalistische Ansatz gerade für Sozialwissenschaften fruchtbar zu machen ist. Eine kulturalistische Grundlegung der Sozial- bzw. der Politikwissenschaft hätte dann aber auch zu prüfen, wie originell der Ansatz der Janich-Schule im einzelnen tatsächlich ist, und ob nicht beispielsweise schon der amerikanische Pragmatismus verwandte Perspektiven entwickelt hat. Ungeachtet der Frage, ob der Kulturalismus tatsächlich so "neu" ist, wie insbesondere der einleitende Aufsatz Hartmanns und Janichs suggeriert, stellt die Auseinandersetzung mit diesem Ansatz für den Sozialwissenschaftler schon deshalb ein gewinnbringendes Unternehmen dar, weil in ihm die Chance geboten wird, naturalistische Befangenheiten der Sozialwissenschaften kritisch zu hinterfragen.
Inhalt: Dirk Hartmann / Peter Janich: Methodischer Kulturalismus (9-69); Dirk Hartmann: Kulturalistische Handlungstheorie (70-114); Peter Janich: Kulturalistische Erkenntnistheorie statt Informationismus (115-156); Rainer Lange: Vom Können zum Erkennen - Die Rolle des Experimentierens in den Wissenschaften (157-196); Wolfgang Schonefeld: Relativistische Protophysik (197-224); Nikos Psarros: Die Chemie als kulturelle Errungenschaft - Überlegungen zu einer methodischen Chemiegeschichtsschreibung (225-263); Walter Zitterbarth: Reflexionen zu einer kulturalistischen Theorie der Lebenswelt (269-284); Michael Weingarten: Anfänge und Ursprünge - Programmatische Überlegungen zum Verhältnis von logischer Hermeneutik und hermeneutischer Logik (285-314); Armin Grunwald: Kulturalistische Planungstheorie (315-345); Mathias Gutmann: Präliminarien zu einer Geschichte der Philosophie in systematischer Absicht (346-389); Gerd Hanekamp: Kulturkritik und Postmoderne (390-420).
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.4
Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Dirk Hartmann / Peter Janich (Hrsg.): Methodischer Kulturalismus. Frankfurt a. M.: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2074-methodischer-kulturalismus_2519, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 2519
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Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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