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/ 06.06.2013
Jörg Echternkamp / Stefan Martens (Hrsg.)

Militär in Deutschland und Frankreich 1870-2010. Vergleich, Verflechtung und Wahrnehmung zwischen Konflikt und Kooperation. Hrsg. im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts Paris und des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012; VIII, 201 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-506-77336-4
Frankreichs Militär präge ein autoritärer Kommandostil, Soldaten der Bundeswehr handeln zugleich lax und planungsbesessen, im Übrigen ohne Strategie – so fasst der französische Luftwaffenoffizier und Militärsoziologe Christophe Pajon eine Umfrage aus dem Jahr 2005 zusammen, die fortbestehende Stereotype nach fast 60 Jahren militärischer Kooperation beider Länder offenlegt. In dem für Fachkreise wie Laien gut lesbaren Band, entstanden aus einer mehrjährigen Tagungsreihe zweier französischer militärstrategischer Institute, des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes und des Deutschen Historischen Instituts Paris, erscheint die Zeit von 1870 bis 2010 entgegen verbreiteter Schulbuchweisheit nicht als starr in konfrontative und kooperative Jahre geteilt. Verflechtungen auch zu Zeiten der Hochrüstung weisen Wencke Meteling und Patrice Buffotot nach, indem sie den Korpsgeist als Kohäsionsmittel vergleichen beziehungsweise die Kopie des preußischen Modells von Wehrpflicht und Reserve in Frankreich nachzeichnen. Bei der Einführung der Berufsarmee hatte Frankreich in den 90er‑Jahren die Nase vorn, weil es den Willen zu erfolgreichen Militäreinsätzen besaß – Deutschland schloss die Debatte um die „Professionalisierung“ erst 2011 mit der Aussetzung der Wehrpflicht ab. Die erwähnte Umfrage bestätigt den Willen Frankreichs zu einem „Europa der Verteidigung“ (185), während Deutschland der transatlantischen Kooperation den Vorzug gibt. Das ist historisch bedingt, ebenso wie die Genese des „Staatsbürgers in Uniform“ (eigentlich eine französische Idee), durch das Prinzip der „Inneren Führung“ normativ gefasst – in Frankreich teils als fehlende Härte missverstanden. Unerwähnt bleibt der französische Hang zum „Nichtkämpfer“ zwischen 1918 und 1939 (so Marc Bloch und Ernst Robert Curtius). Während deutsche „Heldenideale“ (67) u. a. durch das Bild vom „rassischen Kämpfer“ (98) zu Recht infrage gestellt werden, fehlt ein Beitrag zur Rolle des französischen Soldaten in den allseits verlustreichen Kolonialkriegen – etwa in vergleichender Sicht auf Algerien. Dass die Deutsch‑Französische Brigade auf kleinem Raum Vertrauen schafft, sieht der Rezensent aus eigener Erfahrung positiv.
Sebastian Liebold (LIE)
Dr., Politologe und Zeithistoriker, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.212.3242.614.2 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Liebold, Rezension zu: Jörg Echternkamp / Stefan Martens (Hrsg.): Militär in Deutschland und Frankreich 1870-2010. Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9163-militaer-in-deutschland-und-frankreich-1870-2010_40990, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 40990 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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