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/ 22.01.2015
Eva Lahnsteiner

Minderheiten. Versuch einer völkerrechtlichen Begriffsbestimmung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Schriften zum Internationalen und Vergleichenden Öffentlichen Recht 21); 293 S.; brosch., 59,- €; ISBN 978-3-8487-1259-5
Rechtswiss. Diss. FU Berlin; Begutachtung: H. Krieger, P. Kunig. – Das Völkerrecht kennt bis heute keine allgemein anerkannte Definition für Minderheiten. Eva Lahnsteiner kommt aber zu dem Schluss, dass „Rechts‑ und Sozialwissenschaften sowie andere wissenschaftliche Disziplinen [...] eine klare Bedeutung des Minderheitenbegriffs [brauchen], auf den sie aufbauen können“ (16). Dieses Desiderat bildet den Hintergrund ihrer juristischen Arbeit, die sich allerdings auf ethnische, sprachliche und religiöse Definitionsmerkmale des Minderheitenbegriffs in völkerrechtlichen Abkommen, die Bestimmungen über den Minderheitenschutz enthalten, und auf spezifische Minderheitenschutzinstrumente (UN‑Minderheitendeklaration, regionale Abkommen) beschränkt. Eine rechtliche Definition des Minderheitenbegriffs birgt sowohl Vor‑ als auch Nachteile, die Lahnsteiner auch benennt. Da wäre zunächst der Umstand, dass eine allgemeine Definition „für die Anwendung und Weiterentwickelung von Minderheitenrechten vorteilhaft wäre“ (57). Der besondere Wert und die spezifische Eignung von Minderheitenrechten gegenüber allgemeinen grund‑ und menschenrechtlichen Regelungen ergeben sich für die Autorin auch daraus, dass Minderheitenrechte auf die „Bewahrung der spezifischen Identität von besonders schutzwürdigen Gruppen“ (105) abzielen. Der eigentliche Kern der Untersuchung besteht aus der Klärung der Möglichkeiten von Staaten, Einfluss auf die definitorische Substanz von Minderheiten in völkerrechtlichen Abkommen zu nehmen, und der Bestimmung der in den unterschiedlichen Völkerrechtsquellen vorliegenden Minderheitenbegriffe. Lahnsteiner zufolge können die Staaten nicht selbst festlegen, was sie unter einer Minderheit verstehen, „[i]m Gegenteil, die Staaten können verpflichtet sein, bestimmte Minderheiten anzuerkennen“ (149). Ohne solche unilateralen Gestaltungsmöglichkeiten stehen ihnen jedoch über völkerrechtliche Vorbehalte Wege offen, ihre Schutzverpflichtungen gegenüber Minderheiten – zumindest in bestimmten Grenzen – zu beeinflussen. Wo diese Grenzen liegen, richtet sich nach der Art der Abkommen. Als Ergebnis der Untersuchung ergibt sich ein heterogenes Bild von Minderheitendefinitionen, die sich zum Teil stark ähneln (der UN‑Begriff und der der Arabischen Charta der Menschenrechte), aber auch in maßgeblichen Punkten voneinander unterscheiden können (die Europäische Rahmenkonvention spricht lediglich von nationalen Minderheiten). Lahnsteiner liefert daher abschließend einen konkreten Vorschlag einer Legaldefinition, die auf ethnische, sprachliche und religiöse Merkmale in Verbindung mit dem Vorhandensein eines Selbstbewahrungs‑ und Anerkennungswillen aufseiten einer Minderheit abzielt.
{CPA}
Rubrizierung: 4.424.1 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Eva Lahnsteiner: Minderheiten. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37990-minderheiten_46215, veröffentlicht am 22.01.2015. Buch-Nr.: 46215 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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