Ohne Zweifel ist die Mitte ein politischer Schlüsselbegriff – zu finden etwa im Drang der politischen Parteien, die Mitte zu besetzen, oder in der Debatte um die steuerpolitische Entlastung der Mitte. Allerdings – und dies machen bereits diese beiden Beispiele deutlich – ist die Mitte ein ebenso ambivalenter wie vager Ausdruck. In umfassenden ideengeschichtlichen Streifzügen, die von Aristoteles bis hin zu Sloterdijk reichen, macht sich Münkler daran, die verschiedenen Bedeutungsschichten der Mitte auszuloten. In vier miteinander verbundenen Essays wird nicht nur das Verhältnis der Mitte zur Macht erläutert, also wie verschiedene Vorstellungen der Mitte zur Herstellung einer politischen Ordnung fruchtbar gemacht wurden, sondern auch die Beziehung von Mitte und Raum und damit die geopolitische Dimension der Mitte beschrieben. Den engsten Bezug zu aktuellen Debatten stellt Münkler da her, wo er sich mit den verschiedenen möglichen gesellschaftlichen Funktionen der Mitte beschäftigt, ihre Rolle in Deutschland von der Weimarer bis zur Bonner Republik untersucht und einen Ausblick auf die Mitte der Zukunft wagt. Zwar habe „die soziopolitische Mitte jene relative Geschlossenheit verloren […], die der Bundesrepublik über Jahrzehnte eine bemerkenswerte politische Stabilität verlieh“ (12); eine Bedrohung der Mitte, von der gegenwärtig viel die Rede sei, sei also durchaus auszumachen – allerdings nicht von außen, sondern von innen, durch die Spaltung der Mitte selbst. Münkler gibt sich demgegenüber aber gelassen. Er erwartet, „dass die mittenversessenen Deutschen sich auf die Suche nach neuen Mitten machen werden, auch wenn im Augenblick nicht abzusehen ist, wo sie diese finden wollen oder finden können“ (14).