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/ 18.06.2013
Martin Mulsow

Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720

Hamburg: Felix Meiner Verlag 2002; X, 514 S.; kart., 58,- €; ISBN 3-7873-1597-7
Philosoph. Habilitationsschrift München. - Das Gesamtbild der deutschen Frühaufklärung vor allem an den radikalen Rändern näher zu beleuchten ist Ziel dieser aus mehreren Fallstudien bestehenden Untersuchung. Im Mittelpunkt stehen clandestine Schriften, anzusiedeln auf der Ebene zwischen Privatheit und Veröffentlichung, oft anonym und für die begrenzte Verbreitung in einem Kreis von Eingeweihten verfasst. Die Einzelstudien greifen dabei auf oft nur handschriftlich überlieferte Texte zurück, die teilweise im Rahmen dieser Untersuchung überhaupt erstmals interpretiert und erstmals einem Verfasser zugeordnet werden. Ihre Autoren stammten aus der Generation der in den 1670er- und 1680er-Jahren Geborenen und bildeten ein "schwaches Netz von nur partiellen personellen Verflechtungen", das eher aus "Wahrnehmungen denn aus Gruppenzugehörigkeiten" bestand (442). Um die Frühaufklärung über die Einzelstudien hinaus als Gesamtheit, als Kommunikationsprozess erfassen zu können, greift der Verfasser methodisch auf eine "philosophische Mikrohistorie" zurück, eine bereits reflektierte, auf Strukturierungen ausgerichtete Detailarbeit im Sinne einer dichten Beschreibung auf kleinstem kulturellen Raum. Er entwirft ein Bild des Aufklärungsprozesses, das nicht zuletzt geprägt ist von zwiespältigen Haltungen, Zweifeln, Ironie, experimentierendem Denken, Täuschungen und Missverständnissen, in deren Wechselwirkungen sich ganz eigene Radikalisierungsdynamiken entwickelten. Inhaltsübersicht: I. Einleitung: Radikalität als Forschungsproblem; II. Ambivalenzen der Gelehrsamkeit: Ein jüdisches antichristliches Manuskript und sein Weg durch die deutsche Frühaufklärung; III. Sozinianische Frühaufklärung. Samuel Cells europäische Netzwerke; IV. Atheismus im Zentrum der Orthodoxie? Zur Entstehung und frühen Verbreitung von Johann Joachim Müllers De tribus impostoribus (1688); V. Politische Theologie. Zum Verhältnis von Staatsraisondenken, historischem Pyrrhonismus und Religionskritik; VI. Die Destruktion des christlichen Platonismus: Souverains Platonisme devoilé (1700) und Gundlings Plato atheus (1713); VII. Gundling und Budde: Skeptische versus konservative Aufklärung; VIII. Eklektik und Indifferentismus. Die Tradition der Religio prudentum von Ineptus religiosus (1652) bis zur Religio eclectica (1702).
Tanja Pritzlaff (TP)
Dipl.-Politologin, wiss. Mitarbeiterin, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen.
Rubrizierung: 5.325.33 Empfohlene Zitierweise: Tanja Pritzlaff, Rezension zu: Martin Mulsow: Moderne aus dem Untergrund. Hamburg: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/17061-moderne-aus-dem-untergrund_19603, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19603 Rezension drucken
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