Alle Wahrnehmung bedarf der sinngebenden Interpretation. "Manche Interpretationen entwickeln Leitcharakter, weil sie einfach sind, sinnfällig und selbstverständlich, weil sie Handlungsmöglichkeiten anbieten, allgemein akzeptiert sind und selten überprüft werden. Dann wird die Interpretation zum Mythos." (9) Vier unterschiedliche Typen von Mythen fanden die Autoren - die "Ermöglichungsmythen" oder "Durchsetzungsmythen", die "Verhinderungsmythen", die "Entlarvungsmythen" und die "Kontrollmythen" - bei ihrer Untersuchung in sieben verschiedenen Politikfeldern, so z. B. bei der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik: "die Ablenkung vom Problem, die scheinbare Verringerung des Problems, die Projektion der Ursachen auf die Opfer, die Verdrängung der tatsächlichen Ursachen und die Delegation der Handlungsnotwendigkeit an andere" (62). Auf diese Weise werden "Mythen ohne den Anspruch, es besser zu wissen" untersucht und als "Alternative zur gemeinsamen, diskursiven Suche nach der Wahrheit (oder zumindest nach etwas, was dieser näher kommt)" (99) empfohlen. Inhalt: Einführung: Petra Betz: Mythen und Märchen in der Politik - vom Eigenleben politischer Annahmen (9-12). Mythen in einzelnen Politikbereichen: Rudolf A. Müller: Schweizerische Migrationspolitik - Lehr- und Wanderjahre mit System (13-21); Alain Thierstein: Regionalpolitik - Regionale Entwicklung im Umbruch (23-31); Daniel Walker: Alterspolitik - Wer nicht hat, dem wird genommen (33-40); Heiko Behrendt: Technologiepolitik - Glauben statt Wissen als Ausgangspunkt der Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen (41-51); Dieter Behrendt: Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik - Ein Mythengebilde wurde abgewählt (53-62); Petra Betz / Erik Nagel: New Public Management - Ein Modell macht Veränderung oder: Die Mär von der schnellen Reform (63-76); Gisa Kahle-Anders: Landwirtschaft - Märchen und Mythen über Bauernhofidylle, Massenproduktion und Welternährung (77-93). Schlussfolgerungen: Petra Betz: Vom Umgang mit Mythen in der Politik (95-101).