/ 08.10.2015

Holger Kramer
Politische Entscheidungsfindung: Das Spiel mit der Wehrpflicht. Die Rationalität politischen Handelns
Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2015 (Politica 102); XIV, 452 S.; 129,80 €; ISBN 978-3-8300-8065-7Diss. Vechta; Begutachtung: P. Nitschke, K.‑H. Breier. – „Die allgemeine deutsche Wehrpflicht fand ihre Wurzeln in den französischen Religionskriegen […] Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Die militärischen Erfolge des revolutionären Frankreichs wurden als Ergebnis der dort eingeführten Wehrpflicht gewertet“ (73), schreibt Holger Kramer, der die Geschichte der Wehrpflicht in Deutschland skizziert und vor allem die Entscheidung ihrer Aussetzung mithilfe eines Rational‑Choice‑Ansatzes unter die Lupe nimmt: Die neu entstandene Sicherheitslage nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und die Bündniszugehörigkeit zur NATO waren Argumente, die von Gegnern der Wehrpflicht vorgebracht wurden. Zudem erschien ihnen das mit der Wehrpflicht einhergehende Werteverständnis wie Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung nicht mehr zeitgemäß zu sein, was sich auch an der steigenden Anzahl an Kriegsdienstverweigerungen nach 1991 ablesen lässt. Die dauerhaft geführte Diskussion um und die Hinterfragung der Sinnhaftigkeit der Wehrpflicht an sich hat ab Mitte der 1990er‑Jahre zu einer schrittweisen Reduzierung der Wehrpflichtzeit von zwölf auf – ab Mai 2010 – nur noch sechs Monate geführt, sodass der Schritt zur Aussetzung nicht weit war. Zudem sei eine Wehrpflicht‑ im Vergleich zu einer Freiwilligen‑Bundeswehr teurer, schreibt Kramer weiter. So sei die Aussetzung Teil der Bundeswehrreform, die auf erhebliche Einsparungen abzielt. Allerdings hält der Autor diese Reform für erheblich unterfinanziert; es sei fraglich, ob eine Stärke von 185.000 Soldaten ausreiche. Als problematisch gestalte sich die Nachwuchsgewinnung – vor allem bereite die Suche nach ausreichend qualifizierten Freiwilligen Schwierigkeiten. Grundsätzlich hält Kramer die Aussetzung zwar für richtig, allerdings hätte sie „aus Gründen der Ratio der ökonomischen Effizienz und aus sicherheitspolitischen Aspekten“ wesentlich später ausgesetzt werden müssen. Die Vorgehensweise zum Zeitpunkt der Aussetzung sei überhastet und in der Gesamtkonzeption nicht ausgereift gewesen – „als Teil der historischen Bundeswehrreform hätte die Aussetzung der Wehrpflicht nicht zwingend an den Anfang gehört“ (376).
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Rubrizierung: 2.343 | 2.331 | 2.324 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Holger Kramer: Politische Entscheidungsfindung: Das Spiel mit der Wehrpflicht. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38941-politische-entscheidungsfindung-das-spiel-mit-der-wehrpflicht_46738, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 46738 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA