Skip to main content
/ 16.07.2015
Matthias Lutz-Bachmann (Hrsg.)

Postsäkularismus. Zur Diskussion eines umstrittenen Begriffs

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Normative Orders 7); 362 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-593-50090-4
Die Autoren des Sammelbandes nähern sich dem vor allem durch Jürgen Habermas bekannt gewordenen Begriff des Postsäkularismus – er changiert zwischen einer Beschreibung der gegenwärtigen religiösen Lage, die das Ende der Säkularisierung andeutet, und einer normativen Idee. José Casanova etwa lehnt es ab, mit dem Begriff der Postsäkularität eine Wiederkehr des religiösen Glaubens oder ein Ende der säkular geprägten sozialen Ordnung in Europa zu bezeichnen. Wie Habermas verbindet er mit dem Begriff stattdessen einen gegenwärtigen und wünschenswerten Trend einer veränderten Mentalität der Bürger. Diese habe eine Entwicklung von einem naiven und unreflektierten Säkularitätsverständnis, das „nichtreligiös zu sein als quasi natürlichen Zustand akzeptierte“ (33), hin zu einer neuen „Einstellung der Reflexivität“ gegenüber dem eigenen säkularen Bewusstsein und einer „Wissbegierde“ (34) gegenüber der Religion durchlaufen. William A. Barbieri identifiziert gleich sechs Facetten oder „Sinnebenen“ der Postsäkularität, die sich zu einer Konstellation von Postsäkularitäten zusammenfügten und die als „Korrektiv“ oder „Sanierungsprojekt“ (46) gegenüber allzu säkularistischen Tendenzen in der Öffentlichkeit, der Politik oder der Wissenschaft zu verstehen seien. James Bohman wiederum erkennt im Zusammenhang mit der Frage des Transnationalismus in der normativen Dimension des Postsäkularismus einen „kritischen Maßstab für ein Leben mit der dauerhaften Tatsache einer zunehmenden Vielfalt von Lebensweisen auf allen Ebenen der internationalen Gesellschaft“ (190), der den schon angesprochenen Bewusstseinswandel für deliberative Prozesse verlangt. Auch Uchenna Okeja hält den Postsäkularismus als theoretisches Konzept für nicht‑westliche Kontexte unter anderem dazu geeignet, die aus dem klassischen Säkularisierungsparadigma bekannte These, aus der gesellschaftlichen Modernisierung folge die Säkularisierung, zu überdenken. Untermauert von einer Vielzahl an empirischen Daten spricht sich zudem Volkhard Krech gegen den Postsäkularismus als empirische Beschreibung aus. Er findet keine Zeichen einer Wiederkehr der Religion, jedoch bestimmte Sakralisierungsprozesse wie auch eine vermehrte mediale Aufmerksamkeit für die Religion. Weitere Beiträge, die eher indirekt mit dem Thema Postsäkularismus zu tun haben – wie etwa Friedrich Wilhelm Grafs interessanter Artikel zum Kreationismus – ergänzen die Postsäkularismusdebatte. Eine Einleitung wäre positiv gewesen, nicht zuletzt um noch deutlicher die Verbindungslinien zwischen den lesenswerten Beiträgen aufzuzeigen.
{JAR}
Rubrizierung: 2.235.15.42 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Matthias Lutz-Bachmann (Hrsg.): Postsäkularismus. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38634-postsaekularismus_46142, veröffentlicht am 16.07.2015. Buch-Nr.: 46142 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA