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/ 06.03.2014
Raymond Geuss (Hrsg.)

Privatheit. Eine Genealogie. Aus dem Englischen von Karin Wördemann

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013; 142 S.; 12,- €; ISBN 978-3-518-29693-6
Bereits vor dem digitalen Zeitalter war das Spannungsfeld zwischen dem privaten und einem öffentlichen Bereich von Verschränkungen, Normierungen und Kontrollen durchzogen. Die Trennung ist ideologisch durchfurcht, da der Anspruch auf Unbeobachtetsein im Privaten ein eigenes legitimatorisches Potenzial für die Grenzverschiebungen zum Gemeinschaftlichen oder zum Staatlichen entfaltet. Der Philosoph Raymond Geuss spürt in seiner erstmals 2002 veröffentlichten, nun als Taschenbuch vorliegenden Studie vielfältigen „Wurzeln“ und „Umgestaltungen“ dieser Unterscheidung nach. Im Sinne einer „modifizierte[n] Genealogie“ (22) arbeitet er eine vielgestaltige, überlappende Struktur zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen heraus, die sich einer definitorischen Einhegung widersetze. Allein ihre ästhetische Durchdringung scheine ein lohnendes Projekt. Seine eigenwilligen Beispiele – der masturbierende Diogenes von Sinope, Caesar am Ufer des Rubikon und die Spiritualität des Augustinus – offenbaren zwar, dass die Gegenstände des öffentlichen Interesses und dessen spezifischen Räume nicht genau einzugrenzen sind, hinsichtlich ihrer politischen Bewertung bleiben allerdings Fragen offen. Geuss kritisiert einen politischen Liberalismus, der im Individuellen als Urgrund Grenzen der sozialen Welt vornehmen will, ohne die Disparitäten dieser Setzung zu beleuchten. Zugleich bestreitet er, dass es ein universelles öffentliches Wohl gibt. Die unübersichtliche, sperrige Welt lasse den Betrachter nur mit immerwährenden Replizierungen des Öffentlichen und Privaten zurück, als Philosoph wolle er nur nach dem Gebrauch dieser Differenz fragen. Mithilfe jenes Vokabulars findet er keine Antwort auf die doch so dringlich scheinende Wertbestimmung des Privaten als rechtliche und politische Einhegung. Geuss beleuchtet knapp und kapriziös das disparate Potenzial, er warnt vor dem selbst ideologischen Versprechen, privat und öffentlich, individuell und gemeinschaftlich letztendgültig voneinander scheiden zu können.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Raymond Geuss (Hrsg.): Privatheit. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36830-privatheit_45050, veröffentlicht am 06.03.2014. Buch-Nr.: 45050 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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