/ 17.09.2015
Claudio Franzius / Tine Stein (Hrsg.)
Recht und Politik. Zum Staatsverständnis von Ulrich K. Preuß
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Staatsverständnisse 73); 213 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8487-2129-0Ulrich K. Preuß gehört sicherlich zu den einflussreichsten lebenden deutschen Staatstheoretikern, wenige haben die Geschichte der Bundesrepublik in den vergangenen fünfzig Jahren auf eine vergleichbar kritisch‑konstruktive Weise so begleitet wie er – und zwar sowohl theoretisch als auch durch seine verfassungsgerichtlichen Tätigkeiten. Gerade die Verknüpfung dieser praktischen Erfahrungen mit einem ausgeprägten Interesse an Staats‑ und Rechtstheorie machen seine Werke so lesenswert. Umso verwunderlicher ist es, dass seine staatstheoretischen Schriften in der Politikwissenschaft bislang nur wenig (oder zumindest: mittlerweile kaum noch) rezipiert sind, zumal bislang auch kein umfassender strukturierter Überblick über sein theoretisches Denken vorlag. Dieser Band füllt nun endlich die Lücke. Bereits der einleitende Beitrag der Herausgeber, der Preuß‘ wichtigste Werke vorstellt und im jeweiligen historischen Kontext verortet, macht große Lust, Preuß‘ Schriften (wieder) zu lesen. Er hat wie kein anderer den Staat als Zusammenspiel von Recht und Politik verstanden und analysiert. Dabei lässt er sich als „differenzierter Etatist“ (37) charakterisieren, der zum einen immer wieder darauf besteht, dass der Staat trotz aller Supranationalisierungs‑ und Globalisierungsprozesse immer noch die erfolgversprechendste Organisationsform mit Blick auf die Bearbeitung globaler Problemlagen darstellt; der zum anderen jedoch bereits in seinen frühen Schriften die Vielschichtigkeit des ‚Politischen‘ herausgearbeitet hat, welches seinen exklusiven Bezug auf den Staat verloren habe. Im Zusammenspiel dieser beiden Erkenntnisse gibt es vor allem drei große Themenbereiche, die Preuß im Lauf der Jahrzehnte theoretisch bearbeitet hat. Dies betrifft erstens die konsequente Verteidigung individueller und kollektiver Freiheiten und Rechte gegen die Willkür der Staatsgewalt; zweitens die Erfordernisse einer Verfassung, die als ordnende Instanz eines solidarisch geprägten politischen Gemeinwesens dienen kann; drittens schließlich – im Lichte von Europäisierung und Globalisierung – Fragen von überstaatlicher Rechtsetzung und Völkerrecht. Diese drei zentralen Themenbereiche spiegeln sich in der Gliederung des Buches wider. Dabei wird die große Bandbreite seiner akademischen wie auch politischen Einmischungen deutlich. Seien es Grundsatzfragen einer demokratischen Öffentlichkeit, Transformationsprozesse in Osteuropa, der Zusammenhang von Kapitalismus und Demokratie, Europäisierungsprozesse oder religiös motivierte globale Konflikte – zu fast allem hat Preuß etwas Substanzielles zu sagen. Das macht ihn nicht nur für die Staatstheorie, sondern für die Politikwissenschaft insgesamt höchst aktuell.
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Rubrizierung: 5.41 | 5.46 | 3.2 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Claudio Franzius / Tine Stein (Hrsg.): Recht und Politik. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38881-recht-und-politik_47344, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47344 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA