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/ 14.08.2014
Benjamin Seifert (Hrsg.)

Reformoptimismus und Bürgerwut. Das Volksbegehren gegen die "kooperative Schule" in Nordrhein-Westfalen

Stuttgart: ibidem-Verlag 2013 (Göttinger junge Forschung 19); 377 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-8382-0555-7
Sozialwiss. Diss. Göttingen; Begutachtung: F. Walter, H.‑G. Marten, M. Micus. – Benjamin Seifert untersucht die politische Auseinandersetzung über das Volksbegehren gegen die „Kooperative Schule“ 1978 in Nordrhein‑Westfalen. Er konzentriert sich dabei auf die Frage, „inwieweit sich in diesem Volksbegehren eine grundlegende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten artikulierte, die mehr war als eine Abrechnung mit der Schulpolitik der sozial‑liberalen Regierung“ (27). Das breite gesellschaftliche Bündnis der Gegner der Schulreform nimmt Seifert dabei hauptsächlich in den Blick, aber auch die Befürworter sowie die Haltung und den Einfluss der Medien. Er zieht Parallelen zu der ebenfalls gescheiterten Schulreform 2009 in Hamburg und Rückschlüsse auf die generelle „Stellung des Plebiszits in der parlamentarischen Demokratie“ (30). Die Reform machten überwiegend zwei Punkte aus: die Einführung einer zweijährigen schulformunabhängigen Orientierungsstufe sowie die Zusammenfassung der „drei weiterführenden Schulen in der kooperativen Schule mit einer nach Möglichkeit kollegialen Schulleitung“ (106). Dies war auch schon so im Koalitionsvertrag von 1975 festgehalten. Den Kern der Arbeit bilden die Protestaktionen vor und nach der Verabschiedung des Gesetzes; dass „der Widerstand der oppositionellen CDU […] nur ein Teil der Gefährdung für das Reformvorhaben war, zeigt sich schnell bei der Betrachtung der außerparlamentarischen Proteste“ (167), so Seifert. Der Philologenverband Nordrhein‑Westfalen sowie zahlreiche Eltern‑ und Lehrerverbände begannen mit ihren Protestaktionen bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes und zögerten nicht, gemeinsam mit der CDU und der katholischen Kirche, die Bevölkerung zum Volksbegehren aufzurufen. Die unterschiedlichen Motive wurden alle dem einen Ziel, die Verhinderung von kooperativer Schule und Orientierungsstufe, untergeordnet. Die CDU nutzte zudem das Volksbegehren, „um der strauchelnden Regierung Kühn einen weiteren Stoß zu versetzen“ (223). Den Erfolg des Plebiszits erklärt Seifert unter anderem mit dem „neuen Sicherheitsbedürfnis“ der Bevölkerung, das stark auf die „gezielte Emotionalisierung“ (331 f.), mit der die Reformgegner antraten, ansprach. Die detaillierte und verständliche Studie bietet über die Politikfeldanalyse hinaus einen sehr guten Einblick in den politischen Prozess und die Herausforderungen direkter Demokratie.
Simone Winkens (SWI)
M. A., Politikwissenschaftlerin, Online-Redakteurin.
Rubrizierung: 2.3432.3312.3252.32 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Benjamin Seifert (Hrsg.): Reformoptimismus und Bürgerwut. Stuttgart: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37403-reformoptimismus-und-buergerwut_45523, veröffentlicht am 14.08.2014. Buch-Nr.: 45523 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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