/ 22.06.2013
Mario Kessler
Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten (1895-1961)
Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2013 (Zeithistorische Studien 51); 759 S.; geb., 59,90 €; ISBN 978-3-412-21014-4„In Ruth Fischer brechen sich alle politischen Strömungen, Tendenzen und Gegentendenzen ihrer Zeit mit oft ungezügelter Leidenschaft Bahn“. Wo immer sie „auftrat, schieden sich die Geister. Sie war […] ein Mensch der Extreme, nicht des vermittelnden Denkens“ (16). Den privat wie politisch wechselhaften Lebensweg dieser kommunistischen Politikerin des 20. Jahrhunderts zeichnet der Autor in dieser umfassenden Biografie dokumentarisch detailliert und zugleich fesselnd geschrieben nach. Im Jahr 1885 geboren, gehörte Fischer nach dem Ersten Weltkrieg zu den Begründern der Kommunistischen Partei Österreichs und erlangte Mitte der 1920er‑Jahre als Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands internationale Berühmtheit. Maßgeblich an der Umformung der KPD zur „bolschewistischen Kampfpartei" (196) nach sowjetischem Vorbild beteiligt, fiel sie 1925, durch ideologische Streitigkeiten mit ihren einstigen Genossen und Moskau, in Ungnade. Dem politischen Sturz folgten Parteiausschluss und ihr endgültiger Bruch mit dem Stalinismus und der Komintern. 1941 emigrierte sie in die USA und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kronzeugin der antikommunistischen Hysterie der frühen Jahre des Kalten Krieges. Gestützt auf bisher unerschlossene Archivquellen, darunter zahlreiche FBI‑ und HUAC‑Akten, beantwortet Kessler die zentrale Frage nach der politischen Haltung der Protagonistin in dieser Zeit eindeutig: „Entgegen späterer Beteuerungen war Ruth Fischer damals nicht nur eine Antistalinistin, sondern eine aktive Antikommunistin, wenn auch eigener Art. […] Indem [sie die] kommunistische Bewegung als bloße von Moskau gesteuerte Verschwörung zeichnete, machte sie sich zur Sprecherin einer undifferenzierten, demokratische Werte infrage stellenden Kommunistenfeindschaft, die über eine rationale Kommunismuskritik weit hinaus ging." (491) Die abschließenden Kapitel sind ihrer Rückwendung zur kommunistischen Politik und den neuen Hoffnungen gewidmet, die sie nach der Geheimrede Nikita Chruschtschows 1956 in die Sowjetunion setzte. Eine Aussöhnung mit ihren nicht weniger bekannten Brüdern Gerhart und Hans Eisler, gegen die sie in den 1950er‑Jahren massiv ausgesagt hatte, blieb ihr bis zu ihrem Tod im Jahr 1961 allerdings verwehrt.
Ronny Noak (RNO)
B.A., Politikwissenschaftler, Student, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 2.1 | 2.22 | 2.25 | 2.4 | 2.3 | 2.311 | 2.313 | 2.64
Empfohlene Zitierweise: Ronny Noak, Rezension zu: Mario Kessler: Ruth Fischer. Wien/Köln/Weimar: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35838-ruth-fischer_43685, veröffentlicht am 13.06.2013.
Buch-Nr.: 43685
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B.A., Politikwissenschaftler, Student, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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