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/ 04.06.2013
Jerzy W. Borejsza

Schulen des Hasses. Faschistische Systeme in Europa. Aus dem Polnischen von Beate Kosmala

Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1999 (Europäische Geschichte); 320 S.; 28,90 DM; ISBN 3-596-60160-6
Der Warschauer Historiker untersucht die verschiedenen faschistischen Systeme der Zwischenkriegszeit, mit speziellem Augenmerk auf Deutschland und Italien. Im Kontrast dazu wird die Sowjetunion unter Stalin zwar als totalitär betrachtet, ohne daß Borejsza jedoch einer Gleichsetzung von Faschismus, Nationalsozialismus und Bolschewismus zustimmen würde (27). Im Gegenteil, seiner Meinung nach wurden die "vollständiger aufgedeckten Verbrechen des Stalinismus zum Deckmantel für die 'braune Zeit' Adolf Hitlers" (14). Eigentümlich mutet auch seine Einschätzung der Hindernisse an, vor denen angeblich ein Faschismushistoriker stehe: "Mangel an Dokumenten oder auch ihre bewußte Beseitigung, ein umfassendes Schweigen sowie Verfälschung oder Mythologisierung der eigenen Vergangenheit durch Zeitzeugen, Banalisierung, Bagatellisierung und die Darstellung des 'totalitären Bösen' als Normalität." (14) Und noch eine fragwürdige Stelle: "In Deutschland kam es Ende 1918 und Anfang 1919 zur Anwendung von massivem Terror gegen die Arbeiter- und Soldatenräte und die sozialistische Linke. Rosa Luxemburg war keineswegs Anhängerin der bolschewistischen Revolution einer Elite 'im Namen der Massen'. Sie war vielmehr der Auffassung, daß Deutschland erst allmählich für eine Revolution reif werden sollte. Unter den Bedingungen des massiven Terrors hatten die Intentionen einzelner Führer jedoch keine Bedeutung, und Rosa Luxemburg wurde von Offizieren der regulären Reichswehr ermordet." (31) Dies scheint zumindest eine Verharmlosung des Spartakusaufstandes wie auch der Weihnachtsunruhen um den Reichstag zu sein. Ein erster Schwerpunkt des Buches liegt auf der historischen Entwicklung in Italien, dessen Faschismus, "im Unterschied zum Stalinismus oder Nationalsozialismus [...] als unvollendeter Totalitarismus" (98) interpretiert wird. Zweiter Schwerpunkt ist Deutschland, das seit dem Anfang der NSDAP betrachtet wird. Beide Kapitel folgen wesentlich einer historisch-chronologischen Ordnung und bringen viele Einzelheiten, die überwiegend bekannt sind. Interessanter für den deutschen Leser dürften die sich anschließenden Abschnitte über die faschistischen Parteien und Bewegungen in den anderen Ländern Europas sein, die nacheinander abgehandelt werden und die die zweite Hälfte des Buches ausmachen.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.252.312 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Jerzy W. Borejsza: Schulen des Hasses. Frankfurt a. M.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3868-schulen-des-hasses_5467, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 5467 Rezension drucken
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