/ 16.01.2014
Hans Weiss
Schwarzbuch ÖBB. Unser Geld am Abstellgleis
Wien: Deuticke 2013; 199 S.; 16,40 €; ISBN 978-3-552-06228-3Angesichts einer eindrucksvollen wie aufschreckenden Publikationsliste – die „Bitteren Pillen“ sind inzwischen mehrfach neu aufgelegt worden – kann man sich vorstellen, dass die österreichischen Verkehrspolitiker und vor allem die Leitung der staatlichen Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nicht gerade erfreut gewesen sein dürften, dass der Journalist Hans Weiss ihnen ein Buch widmet. Der Titel gibt denn auch bereits unumwunden die Stoßrichtung vor, wobei Weiss mit Blick auf seine Rechercheergebnisse auch kaum zu einer anderen als insgesamt ausgesprochen negativen Bilanz hätte kommen können. Seine Bestandsaufnahme, die vor allem an die österreichischen Steuerzahler adressiert ist, listet neben verschmutzten Toiletten und langsamen Reisezeiten unter anderem zahlreiche Frühpensionäre und einen um zwanzig Zentimeter erhöhten Gleisabstand auf, was zu höheren Kosten als nötig führt. Das so gar nicht betriebswirtschaftliche Denken paart sich seiner Erkenntnis nach zudem mit einer Desorientierung am Kunden. Weiss rechnet vor, dass die ÖBB jeden Steuerzahler im Jahr zwischen 600 und 850 Euro kostet – genauere Zahlen seien weder von der ÖBB noch vom Finanz‑ oder Wirtschaftsministerium zu bekommen. Zugleich sei das Unternehmen, das die Hälfte seiner Einnahmen aus staatlichen Zuwendungen bestreite und dennoch hohe Boni an seine Manager zahle, hoch verschuldet – zu einem wesentlichen Teil auch deshalb, weil es politisch gewollte Investitionen ausführe, die für die Fahrgäste oft genug keinerlei Verbesserungen bedeuteten. Weiss führt hier insbesondere geplante oder schon gebaute Tunnel an, für deren Rechtfertigung viel zu hohe Fahrgast‑ und Güterzahlen zugrunde gelegt worden seien. Dabei kritisiert er vehement auch die Verkehrs‑ und Subventionspolitik der EU. Diese „träumt von durchgehenden schnellen Bahnverbindungen, die Europa von einem Ende zum anderen verbinden, die kein Mensch braucht“ (117). Wie sich die Bahn anders und besser organisieren ließe, deutet Weiss mit Hinweisen vor allem auf die Schweizer Bahn, aber auch auf die Deutsche Bundesbahn an. Ein gravierendes Problem, das breiten Raum im Buch einnimmt, scheint allerdings ein speziell österreichisches zu sein: die Korruption. Gegen 25 ÖBB‑Manager und Verkehrspolitiker werde ermittelt, schreibt Weiss und erläutert zahlreiche (nicht nur mutmaßliche) Fälle der „Freunderlwirtschaft“ (135). Unter dem seit 2010 verantwortlichen ÖBB‑Generaldirektor Christian Kern scheint zwar Bewegung in diese Strukturen gekommen zu sein. Weiss lässt aber keinen Zweifel daran, dass eine tiefgreifende Reform der Organisation wie der Betriebskultur der ÖBB überfällig ist.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.263
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Hans Weiss: Schwarzbuch ÖBB. Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36613-schwarzbuch-oebb_44680, veröffentlicht am 16.01.2014.
Buch-Nr.: 44680
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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