/ 03.06.2013
Christoph H. Werth
Sozialismus und Nation. Die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945. Mit einem Vorwort von Karl Dietrich Bracher
Opladen: Westdeutscher Verlag 1996; 388 S.; kart., 59,- DM; ISBN 3-531-12897-3Diss. Bonn; Erstgutachter: K. D. Bracher. - Die Kombination von Sozialismus und Nationalismus ist für das deutsche politische Denken zwischen den Weltkriegen von zentraler Bedeutung gewesen. Das ist nicht unbedingt eine neue Erkenntnis, aber Werth bemüht sich, in seiner materialreichen, ausgedehnten Studie um eine bislang unerreichte Breite der Darstellung dieser Ideologiediskussion. Er faßt die von ihm untersuchten Denker unter dem Banner des "Rechtssozialismus" zusammen, wobei sich der Leser allerdings fragt, ob sich diese immerhin mißverständliche Etikettierung wohl durchsetzen wird. Irritieren muß auch, daß der Autor die bestehende Forschung, die in den letzten Jahren gerade auf diesem Gebiet allerlei zutage gefördert hat, mit einer an Goldhagen gemahnenden apodiktischen Sprache für ungenügend erklärt. So will er den Begriff der "Konservativen Revolution" über Bord werfen, denn er täuscht "eine Einheitlichkeit vor, welche faktisch überhaupt nicht existierte" (282). Dafür meint er, mit dem Begriff Rechtssozialismus Demokraten wie Naumann, Tönnies und Rathenau ebenso zu fassen wie ihnen politisch diametral entgegengesetzte Denker. Überhaupt ist Werths Interpretation zumindest von Tönnies' "Gemeinschaft und Gesellschaft" (mit einem klaren Schwergewicht auf Gemeinschaft) in der neueren Tönnies-Forschung mehr als umstritten. Allerdings macht der Autor sich dieses Problem (wieder ähnlich wie Goldhagen) insofern einfach, als er ausweislich der Anmerkungen zu diesem Teil schlichtweg die gesamte neue Forschung ignoriert. Auf diese Art gelangt man natürlich zu klaren Aussagen, hinterläßt aber beim Leser einen erheblich zwiespältigen Eindruck.
Aus dem Inhalt: II. Wegbereiter. Erste Versuche einer ideologischen Kombination: 1. Friedrich Naumann - Prophet zwischen den Lagern; 2. Oswald Spengler - Sozialismus als heroisch-nationaler Dienst. III. Modelle einer geordneten Welt - Gemeinschaft und zentrale Planung: 1. Ferdinand Tönnies und das Ideal der Gemeinschaft; 2. Walther Rathenau und die zentralistisch-maschinelle Gemeinwirtschaft; 3. Wichard von Moellendorff: Konservativer Sozialismus und Gemeinwirtschaft. IV. Arthur Moeller van den Bruck: Sozialismus als antiwestliches Ressentiment und symbolisches Dekor; V. "Widerstand" und "Tat" - Weitere Stufen der ideologischen Synthetisierung; VI. Ernst Jünger: Der "Arbeiter" im totalitären Maschinenstaat; VII. Werner Sombart: "Deutscher Sozialismus" und konservative Kulturkritik; VIII. Nationalsozialismus: Soziale Modernisierung oder die Verheißung der Volksgemeinschaft.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.4 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Christoph H. Werth: Sozialismus und Nation. Opladen: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2526-sozialismus-und-nation_3249, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 3249
Rezension drucken
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
CC-BY-NC-SA