/ 03.06.2013
Stephan Leibfried / Paul Pierson (Hrsg.)
Standort Europa. Sozialpolitik zwischen Nationalstaat und Europäischer Integration. Übersetzung Sylvia Streeck
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998; 511 S.; 32,80 DM; ISBN 3-518-12021-2Der Band stellt eine gekürzte und aktualisierte Übersetzung des 1995 in den USA erschienenen Sammelwerkes "European Social Policy" dar, in dem - unterstützt vom Center for European Studies (Harvard University) - US-amerikanische, englische und deutsche Sozialwissenschaftler eine issuebezogene Bilanzierung der europäischen Integration unternehmen. Lassen sich - so die Leitfrage der Analysen - Indizien erkennen, denen zufolge das europäische Mehrebenensystem auf dem Weg zu einem supranationalen Wohlfahrtsstaat ist? In den primär empirisch ausgerichteten Beiträgen, die bestimmte Politikfelder (Sozialpolitik, industrielle Beziehungen, Agrarpolitik) bzw. spezifische Interventionsbereiche (Strukturfonds, Geschlechter-, Migrationspolitik) analysieren (Kap. 2-7), fallen - mit Ausnahme des eher positiven Resümees über die Gleichstellungspolitik - die Antworten sehr zurückhaltend aus. Angesichts der nach wie vor stark territorial bestimmten Entscheidungsprozesse eines "Zentrums" mit nur geringer Macht und unzureichender demokratischer Legitimation bleibe der Spielraum zur Gestaltung eines "sozialen Europas" gering. Während jedoch Leibfried/Pierson (422 ff.) und Ross (327 ff.) durchaus Hoffnungen auf die - sozialpolitische Integrationsprozesse begünstigende - "Eigenlogik" einer vornehmlich vom Medium des Rechts geprägten Mehrebenen-Politik setzen, übernimmt Streeck den Part des polit-ökonomisch informierten "Euro-Skeptikers": "Die Zukunft der europäischen Sozialpolitik hängt nicht davon ab, ob ein europäischer Binnenmarkt Institutionalisierung braucht - die braucht er sicherlich -, sondern ob Europa als politisches System die notwendigen politischen Ressourcen aufbringen kann, um mächtigen Teilnehmern am Markt umverteilende Pflichten aufzuerlegen" (391). In dieser Hinsicht sei eher zu befürchten, daß die Europäisierung der Sozialpolitik - eingezwängt zwischen nationalstaatlichen und wirtschaftsliberalen Interessen - zu einem "post-wohlfahrtsstaatlichen" Regime führe (407 ff.).
Inhalt: Paul Pierson / Stephan Leibfried: Mehrebenen-Politik und die Entwicklung des "Sozialen Europa" (11-57); Stephan Leibfried / Paul Pierson: Halbsouveräne Wohlfahrtsstaaten: Der Sozialstaat in der Europäischen Mehrebenen-Politik (58-99); Martin Rhodes: Das Verwirrspiel der "Regulierung": Industrielle Beziehungen und "soziale Dimension" (100-154); Jeffrey J. Anderson: Die "soziale Dimension" der Strukturfonds: Sprungbrett oder Stolperstein? (155-195); Ilona Ostner / Jane Lewis: Geschlechterpolitik zwischen europäischer und nationalstaatlicher Regelung (196-239); Elmar Rieger: Schutzschild oder Zwangsjacke: Zur institutionellen Struktur der Gemeinsamen Agrarpolitik (240-280); Patrick R. Ireland: Zuwanderung, Freizügigkeit und soziale Integration: Eine gespaltene politische Antwort (281-326); George Ross: Das "Soziale Europa" des Jacques Delors: Verschachtelung als politische Strategie (327-368); Wolfgang Streeck: Vom Binnenmarkt zum Bundesstaat? Überlegungen zur politischen Ökonomie der europäischen Sozialpolitik (369-421); Paul Pierson / Stephan Leibfried: Zur Dynamik sozialpolitischer Integration: Der Wohlfahrtsstaat in der europäischen Mehrebenen-Politik (422-463).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 3.5 | 2.262 | 2.263 | 2.27
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Stephan Leibfried / Paul Pierson (Hrsg.): Standort Europa. Frankfurt a. M.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3211-standort-europa_4214, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 4214
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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