/ 30.05.2013
Ilko-Sascha Kowalczuk
Stasi konkret. Überwachung und Repression in der DDR
München: C. H. Beck 2013 (Beck'sche Reihe 6026); 428 S.; brosch., 17,95 €; ISBN 978-3-406-63838-1„Im Kern geht es in diesem Buch darum, möglichst anschaulich zu erzählen, wie sich die konkrete Arbeit der Geheimpolizei vollzog, warum es sie überhaupt gab, was hauptamtliche Mitarbeiter so alles machen mussten, wollten und zu ‚ertragen‘ hatten, welche Bedeutung inoffizielle Mitarbeiter hatten, ob jeder IM wirklich ein IM war, ob IM gleich IM ist, wie das MfS mit anderen Institutionen zusammenwirkte oder wie die SED das MfS anleitete“ (14). Wer nun glaubt, dass mit diesem Band den bereits in großer Zahl publizierten Büchern über die Stasi, in denen die bereits bekannte, allumfassende Macht des Ministeriums dargestellt wird, ein weiteres angefügt wurde, irrt gewaltig. Ilko‑Sascha Kowalczuk stellt vielmehr so manche schon als gesichert geglaubte Aussage über die Staatssicherheit infrage, indem er viele Fallbeispiele aus den Akten birgt und durch ihre Darstellung ein Gesamtbild vom MfS in Staat und Gesellschaft zeichnet. So erläutert er u. a., dass in den Satellitenstaaten der Sowjetunion die Geheimpolizei zum Innenministerium gehörte und dadurch erhebliche Synergieeffekte bei der täglichen Arbeit ermöglicht wurden. Nur die DDR besaß neben der UdSSR eine eigenständige Geheimpolizei. Sie jedoch wegen der Relation von Landesgröße und Bevölkerungszahl als den größten geheimdienstlichen Apparat der Weltgeschichte zu bezeichnen, wie dies in der DDR‑Forschung getan wurde, ist „vor dem Hintergrund der strukturellen Unterschiede etwas übertrieben“ (189). Kowalczuk stellt auch den teilweise in der DDR‑Forschung beschriebenen Versuch, das geringe Bildungsniveau der hauptamtlichen Mitarbeiter durch Weiterqualifikation zu heben, infrage: „Von einer ‚Bildungsoffensive‘ […] kann nur die Rede sein, wenn man den MfS‑Statistiken folgt, die ‚Bildungsinhalte‘ und ‚Bildungsziele‘ unberücksichtigt lässt und letztlich formal akademische Titel, egal wer sie warum verlieh, ins Auge fasst“ (195). Der DDR‑Forscher betont mehrfach, dass er mit diesem Buch keineswegs relativieren, sondern vielmehr mithilfe seiner Ausführungen zeigen möchte: „Nicht das MfS legte sich wie eine Krake über die Gesellschaft, sondern die SED und erst in ihrem Schlepptau das MfS. Es war kein Staat im Staate, sondern Teil dieses Staates, der SED‑Diktatur“ (16).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.314
Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Ilko-Sascha Kowalczuk: Stasi konkret. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/200-stasi-konkret_43615, veröffentlicht am 30.05.2013.
Buch-Nr.: 43615
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M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
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