/ 14.04.2016

Caroline Preidel
Sterbehilfepolitik in Deutschland. Eine Einführung
Wiesbaden: Springer VS 2016; IX, 34 S.; softc., 9,99 €; ISBN 978-3-658-10370-5Caroline Preidel vermittelt einen Überblick über die deutsche Sterbehilfepolitik. Aufgrund des Euthanasieprogramms im Nationalsozialismus galt die Sterbehilfe in der Bundesrepublik lange Zeit als Tabu. Dieser Konsens, der sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Bevölkerung gefestigt hatte, verliert nach Meinung der Autorin an Bedeutung. Wie eine Umfrage aus dem Jahr 2014 offenbart hat, befürwortet inzwischen eine Mehrheit die Legalisierung bestimmter Methoden der Sterbehilfe. Die verschiedenen „Formen des assistierten Tods“ (3) beschreibt Preidel: Zu unterscheiden ist zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe sowie dem assistierten Suizid. Darauf aufbauend widmet sie sich den Konfliktdimensionen, die das Politikfeld umfasst. Denn die deutsche Sterbehilfedebatte berührt einerseits das Prinzip der Menschenwürde, wonach dem menschlichen Leben ein spezifischer Wert zukommt und jede Person selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden kann. Andererseits tangiert die Debatte die Maxime des ärztlichen Heilungsauftrags, die Frage nach dem Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe sowie ökonomische Interessen. Preidel vergleicht die Situation in Deutschland mit der in anderen europäischen Ländern: Mit Ausnahme der Schweiz taten sich alle europäischen Staaten lange Zeit schwer, eindeutige Regulierungen auf den Weg zu bringen oder von einem Totalverbot der Sterbehilfe abzurücken. Doch nach und nach wuchs der Druck, die Sterbehilfe zu legalisieren. Während die Niederlande, Luxemburg und Belgien „einen radikalen politischen Wandel vollzogen und die aktive Sterbehilfe erlaubt haben, bleibt Deutschland weiterhin seinem Regulierungsansatz treu und hat durch die rechtliche Anerkennung schriftlicher Patientenverfügungen lediglich den Weg für die passive Sterbehilfe freigemacht“ (27). Preidel bescheinigt der Bundesrepublik in dieser Frage Reformträgheit. Der Beitrag ist im Rahmen des Forschungsprojektes MORAPOL entstanden, in dem der Wandel unterschiedlicher Moralpolitiken für 26 Staaten über einen Zeitraum von 50 Jahren, zwischen 1960 und 2010, untersucht wurde. Im Fokus der Analysen standen nicht nur Staaten der EU und des OECD‑Raums, sondern auch Brasilien, China, Chile, Indien, Israel, Russland, Südafrika und die Türkei. Dabei wurden neun Politikbereiche unter die Lupe genommen, von denen die Sterbehilfe einer war (siehe Buch‑Nr. 47926).
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Rubrizierung: 2.343 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Caroline Preidel: Sterbehilfepolitik in Deutschland. Wiesbaden: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39600-sterbehilfepolitik-in-deutschland_47984, veröffentlicht am 14.04.2016. Buch-Nr.: 47984 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA