/ 04.06.2013
Wolfgang J. Mommsen
1848. Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849
Frankfurt a. M.: S. Fischer Verlag 1998; 334 S.; 39,80 DM; ISBN 3-10-050606-5Der 150. Jahrestag der Revolution von 1848, der in diesem Jahr begangen wurde, brachte eine Flut von Veröffentlichungen zu diesem historischen Ereignis mit sich. Daß dabei meist keine wesentlich neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zutage gefördert wurden, liegt in der Natur solcher Jubiläumsliteratur. Diese Tatsache muß jedoch nicht zwangsläufig das Urteil "überflüssig" nach sich ziehen, wie Mommsen mit seiner Darstellung eindrucksvoll unter Beweis stellt. Mit der Einbettung der revolutionären Ereignisse in der deutschen Staatenwelt in die gesamteuropäische Entwicklung seit der französischen Julirevolution von 1830 eröffnet er dem Leser eine Perspektive, die die über den konkreten historischen Kontext hinausreichende Bedeutung der Revolution von 1848/49 besonders deutlich hervortreten läßt.
Ausführlich analysiert der Autor dabei die vier verschiedenen Ebenen des Revolutionsgeschehens: "die bäuerlichen Protestbewegungen in den ländlichen Regionen vornehmlich des deutschen Südwestens, die bürgerliche Verfassungsbewegung, die Protestaktionen von Teilen der Unterschichten gegen die bestehende Sozialordnung, und schließlich die nationalrevolutionären Bewegungen" (300). In dieser Vielfalt der revolutionären Stoßrichtungen mit ihren unterschiedlichen Intentionen habe, so Mommsen, ein wichtiger Grund für das Scheitern der Revolution von 1848/49 gelegen. Besonders betont er dabei "das Zögern des liberalen Bürgertums, sich mit den unterbürgerlichen Schichten zu verbünden, aus Furcht vor sozialrevolutionären Weiterungen" (8). Ursächlich für den Erfolg der von den traditionellen Mächten betriebenen Gegenrevolution sei aber die Niederlage der nationalrevolutionären Bewegungen an der Peripherie Europas gewesen, da dadurch die militärischen Kräfte frei wurden, "die revolutionären Regime und Aufstände in Ungarn, in Italien, in Sachsen, in Baden und in der Pfalz mit Waffengewalt zu unterdrücken" (311).
Dem eigenen Anspruch, insbesondere einer jüngeren Generation ein Gefühl dafür zu vermitteln, "mit welchen schweren Opfern die freiheitliche politische und gesellschaftliche Ordnung, in der wir heute leben, erkämpft werden mußte" (8), wird Mommsen mit vorliegendem Werk mehr als gerecht.
Inhalt: Einleitung: Die ungewollte Revolution; I. Die vorrevolutionäre Situation des Vormärz; II. Die Julirevolution von 1830 und die europäische Staatenwelt; III. Die Ruhe vor dem Sturm. Stagnation und Reformstau in Mitteleuropa 1840-1847; IV. Die politischen Parteirichtungen am Vorabend der Revolution; V. Die Märzrevolution; VI. "Schließen" oder Weitertreiben der Revolution? Die Märzministerien und die radikale Demokratie; VII. Die Mobilisierung der Volksmassen. Die politische Vereinsbewegung; VIII. Die Frankfurter Nationalversammlung und die Einheit Deutschlands; IX. Schleppende Reformen und das Widerstreben der konservativen Mächte; X. Die revolutionären Bewegungen im Strudel der nationalen Konflikte; XI. Die Gegenrevolution in den europäischen Machtzentren; XII. Die Frankfurter Reichsverfassung und ihr Scheitern; XIII. Das letzte Aufbäumen der revolutionären Bewegungen in Europa; XIV. Die Revolution von 1848/49 in europäischer Perspektive.
Wolfgang Wagner (WW)
Diplom-Kaufmann, Dr. rer. pol., Politologe, Gütersloh.
Rubrizierung: 2.311
Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Wagner, Rezension zu: Wolfgang J. Mommsen: 1848. Die ungewollte Revolution. Frankfurt a. M.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3867-1848-die-ungewollte-revolution_5466, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 5466
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Diplom-Kaufmann, Dr. rer. pol., Politologe, Gütersloh.
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