/ 17.09.2015
Detlef Horster / Franziska Martinsen (Hrsg.)
Tischgesellschaft der Zukunft – Über eine Ethik der Ernährung
Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2015 (Hannah-Arendt-Lectures und die 17. Hannah-Arendt-Tage 2014); 135 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-95832-052-9Wenn essen, wie Hannah Arendt und mit ihr die Herausgeber behaupten, immer auch eine politische Aktion ist, dann ist all das, was täglich, mehrfach und meist im Überfluss auf unsere Tische kommt, keine Privatsache – sondern politisch von Belang. Von dieser Prämisse ausgehend kreisen die Beiträge aus ganz unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Perspektiven um unsere – wie man wird konzedieren müssen – nicht ganz unproblematische Ernährung. Einen ersten und in vielerlei Hinsicht vertrauten Blick auf die Teller wirft Bernd Ladwig, wenn er in seinem Aufsatz die Tatsache in den Mittelpunkt stellt, dass wir in nicht unerheblichen Mengen Fleisch essen: „Würden sie erwägen, einen Golden Retriever zu verspeisen?“ (9) lautet die provokant anmutende, eigentlich aber ganz folgerichtige Frage, die keineswegs auf Aspekte eines besseren oder schlechteren Geschmacks abzielt – sondern die eine kategorische Antwort auf die Problematik einfordert, ob es überhaupt gerechtfertigt sein kann, Tiere zu essen. Kann es nicht, ist Ladwigs ebenso klares Fazit. Denn wenn Tiere – etwa bei ihrer Schlachtung – Schmerz empfinden, wie empirisch begründet zu vermuten ist, dann ist ihre Tötung nicht gerechtfertigt, wenn Menschen sich auch alternativ umfassend, gut und menschenwürdig ernähren können. Das sieht Ladwig in modernen westlichen Gesellschaften gegeben, sodass er fordert: „Tierrechte ernstnehmen heißt, eine möglichst vegane Ernährung zu wählen.“ (32) In eine sehr ähnliche Richtung weist der Beitrag von Corinna Mieth, die in konsumethischer Perspektive fragt, was „moralisch [...] verkehrt“ daran sei, im Restaurant ein leckeres Steak [zu essen]“ (35). Konsumentenpflichten, so ihre Schlussfolgerung, seien vergleichsweise schwache moralische Pflichten, die dem Handelnden relativ breite Ausgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen ihrer Erfüllung einräumen: Je weniger man tut, desto geringer fällt die Erfüllung der moralischen Verpflichtung aus. Mit Blick auf die jeweils getroffenen Konsumentscheidungen heißt das für Mieth: „Auf je mehr problematische Produkte [der Konsument] verzichtet, desto verdienstlicher ist sein Handeln.“ (54) Und auch wenn die Radikalität, mit der die Frage nach dem guten Essen in Teilen hier behandelt wird, etwas verquer anmuten mag – gerade vor dem Hintergrund globaler Ressourcenverknappung und der immer drängender werdenden Notwendigkeit, nachhaltig zu wirtschaften und zu leben, handelt es sich doch um bedenkenswerte Anstöße.
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Rubrizierung: 5.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Detlef Horster / Franziska Martinsen (Hrsg.): Tischgesellschaft der Zukunft – Über eine Ethik der Ernährung Weilerswist: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38879-tischgesellschaft-der-zukunft--ueber-eine-ethik-der-ernaehrung_47320, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47320 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA