/ 21.06.2013
Gerd Koenen
Traumpfade der Weltrevolution. Das Guevara-Projekt
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2008; 602 S.; geb., 22,95 €; ISBN 978-3-462-04008-1Eine „ziemlich schaurige Vorstellung“ steht im Mittelpunkt dieses Buches – das Projekt einer Weltrevolution, bei der im „Feuer des reinigenden Weltbrands [...] der neue kollektive, selbstlose ‚Mensch des 21. Jahrhunderts’ geboren und gehärtet werden“ (7) sollte. Man könnte jetzt die Abkürzung nehmen und erwähnen, dass die treibende Kraft dieser Weltrevolution, Ernesto „Che“ Guevara, von der nordkoreanischen Diktatur begeistert war und die Sowjetunion auf halben Wege zum Sozialismus als stecken geblieben ansah – das Phänomen „Che“, die Ikone der Neuen Linken im Westen, sei damit aber nicht erklärt, meint Koenen und fächert seine Erzählung deshalb sehr viel weiter auf. Den Zugang zu Guevaras Gedankenwelt erschließt er über die lateinamerikanische Geschichte, deren politische Extreme und Ungerechtigkeiten von Guevara als einem extremen Charakter geradezu aufgesogen wurden mit dem Streben, um wirklich jeden Preis den Sinn des eigenen Lebens zu finden. Dabei stand er keineswegs alleine, wobei sich im Laufe der Geschichte zeigte, dass Fidel Castro nur bedingt als sein Weggefährte anzusehen war. Dieser wusste allerdings nach Guevaras Tod dessen Mythos sehr wohl zur eigenen Herrschaftslegitimierung zu nutzen. In dieser Geschichte des Versuchs, von Lateinamerika aus eine Revolution um die Welt gehen zu lassen und diese damit von einer Vorherrschaft der USA zu befreien, ergänzt Koenen die Wege des Ideologen und Kämpfers Guevara und des pragmatisch an der eigenen Macht interessierten Castro um die Biografie der deutschen Revolutionsromantikerin Tamara Bunke, die aus der DDR geradezu flüchtete, um sich in Kuba der Revolution anzuschließen. Ohne Rücksicht auf sich selbst starb sie ebenso wie Guevara im bolivianischen Urwald bei dem Versuch, eine Revolution anzuzetteln, für die es offensichtlich in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt gab. Für Bunke reichte es anschließend nur zur DDR-Heiligen, Guevara aber wurde zu einem Mythos, der die Sehnsucht nach einer besseren Welt symbolisierte – völlig unverdient, wie man spätestens nach der Lektüre dieses Buches weiß.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.1 | 4.1
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gerd Koenen: Traumpfade der Weltrevolution. Köln: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/28997-traumpfade-der-weltrevolution_34237, veröffentlicht am 07.11.2008.
Buch-Nr.: 34237
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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