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/ 31.10.2013
Michel Foucault

Über den Willen zum Wissen. Vorlesungen am Collège de France 1970-1971, gefolgt von: Das Wissen des Ödipus. Aus dem Französischen von Michael Bischoff

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012; 394 S.; geb., 42,95 €; ISBN 978-3-518-58587-0
Im April 1970 zum Inhaber des Lehrstuhls „Geschichte des philosophischen Denkens“ berufen, nahm Foucault seine Vorlesungen am Collège de France mit dem Studienjahr 1970‑1971 auf. Hatte sich Foucault zuvor in seiner Archäologie des Wissens mit Diskurspraktiken, ihren Konstruktionsregeln und Methoden befasst, so verfolgte er mit dieser ersten Vorlesungsreihe die Ausarbeitung einer „Morphologie des Willens zum Wissen“ (282). In den zwölf Vorlesungen dienen ihm Aristoteles und Nietzsche als gegensätzliche Extrempositionen, um das Wechselspiel der Begriffe von Wissen, Wahrheit und Erkenntnis einerseits und andererseits die Beziehungen zwischen dem Willen zum Wissen und den Erkenntnisformen auf theoretischer wie auf geschichtlicher Ebene zu untersuchen. Während Aristoteles und die an ihn anschließende philosophische Tradition „das Erkenntnisstreben in die Erkenntnis selbst“ (37) hineinverlegt, geht bei Nietzsche das Interesse der Erkenntnis in dem radikalen Sinne voraus, dass hinter jeder Erkenntnis ein „Ensemble aus Trieben und Triebregungen, aus Begehren, Lust und Besitzwillen“ (285) steht. Die Bedeutung Nietzsches für Foucaults Absicht, den Willen zum Wissen als Willen zur Macht zu dechiffrieren – und nicht wie die Tradition mit dem Willen zur Wahrheit bzw. zur Erkenntnis zu identifizieren – unterstreicht die 1971 in Montreal gehaltene Vorlesung über Nietzsche. Ihr Untertitel – „Wie man die Geschichte der Wahrheit mit Nietzsche denken kann, ohne sich auf die Wahrheit zu stützen“ (259 ff.) – könnte auch als Leitmotiv der Vorlesungen insgesamt gelten. Die Vorlesungen 1970‑1971 beruhen nicht – wie die späteren – auf Kassettenmitschnitten, sie sind aus Vortragsmanuskripten erstellt und vom Herausgeber Daniel Defert sorgfältig editiert, kommentiert und mit umfangreichen Anmerkungen zum jeweiligen theoretischen Kontext versehen worden.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.465.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Michel Foucault: Über den Willen zum Wissen. Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36340-ueber-den-willen-zum-wissen_43560, veröffentlicht am 31.10.2013. Buch-Nr.: 43560 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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