/ 06.11.2014
Jeremy Bentham
Unsinn auf Stelzen. Schriften zur Französischen Revolution. Hrsg. von Peter Niesen. Übersetzt von Michael Adrian und Bettina Engels
Berlin: Akademie Verlag 2013 (Schriften zur europäischen Ideengeschichte 5); 257 S.; geb., 49,95 €; ISBN 978-3-05-005056-0Peter Niesen will mit der Herausgabe dieser Schriften, die nun erstmals auf Deutsch vorliegen, den Utilitarismus im Allgemeinen und Jeremy Bentham im Besonderen vor dem Vorurteil bewahren, sie seien – wie Karl Marx es ausdrückte – rein englische Phänomene. Tatsächlich zeigt sich bei der Lektüre, dass Bentham durchaus, zwar nicht generell, schaut man etwa auf seinen doppelbödigen Freiheitsbegriff, aber sehr wohl selektiv, für aktuelle Fragestellungen anschlussfähig bleibt. Ein Beispiel dafür ist seine rechtspositivistische Auseinandersetzung mit der Erklärung der Grund‑ und Menschenrechte der Französischen Revolution, die er als „Unsinn auf Stelzen” (137) bezeichnete, was dem Band seinen Namen gibt. Seine Kritik zielt auf die revolutionäre Haltung, im Namen der Demokratie die Verfügbarkeit der Menschenrechte zurückzuweisen. Anstatt diese Rechte zu gewähren, so die von ihm kritisierte Argumentation, finde die demokratische Gesellschaft diese als präexistent vor und habe sie folglich bedingungslos anzuerkennen. Dass mit dem Verweis auf das Wesen der Grundrechte dem demokratischen Gesetzgeber Fesseln angelegt werden können, zeigt sich exemplarisch etwa in der Grundrechtstheorie Carl Schmitts aus der Weimarer Republik. Heute verweist man zwar die Menschenrechte allzu gerne ins Reich der Moral, wo sie Verbindlichkeit erzwingen können, ohne dass sie dem Recht der Anerkennung bedürfen, doch vermag diese Auflösung des Konfliktes noch nicht zu aller Zufriedenheit als gelungen gelten. Bentham jedenfalls verweigert sich dieser Position, weil er Rechte mit ihrer Erzwingbarkeit verbindet. Der bleibende Wert seiner Menschenrechtskritik liegt in der Erkenntnis, dass Rechte begründungsbedürftig sind, wohingegen die Berufung auf vorstaatliche Rechte die politische Diskussion von vorneherein unterbindet. Der Band enthält Texte, die sich neben der Fixierung auf die Ereignisse in Frankreich im Wesentlichen fünf Themengebieten zuordnen lassen: Erweiterung des Wahlrechts, die Gewaltenteilung, die Kritik der Menschenrechte und des französischen Kolonialismus sowie Fragen der politischen Ökonomie.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Jeremy Bentham: Unsinn auf Stelzen. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37740-unsinn-auf-stelzen_43368, veröffentlicht am 06.11.2014. Buch-Nr.: 43368 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenM. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
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