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/ 11.06.2013
Peter Bürger

Ursprung des postmodernen Denkens

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000; 190 S.; brosch., 39,- DM; ISBN 3-934730-10-8
Die Rede von "Postmoderne", verstanden als eine Perspektive, die teils das historische Auslaufen von Modernität (als Programm) behauptet, teils Pluralität als spezifische Qualität nach-moderner Gegenwart verkündet, wird von Kritikern vielfach als widersprüchlich oder oberflächlich eingestuft. Bürger, der in Bremen Literaturwissenschaft lehrt, möchte den postmodernen Angriff auf Grundüberzeugungen modernen Denkens in eine Position rücken, in der dieser zwar nicht Recht erhält, aber sich doch als "eine Unterströmung des Denkens in unserem Jahrhundert" erweist, die systematische Grenzen des modernen Weltbezugs aufweist (11). Als Folie wählt der Autor die von Heidegger beeinflusste Hegel-Interpretation - vor allem die des Herr-Knecht-Kapitels der "Phänomenologie des Geistes" -, die Alexandre Kojève in den 30er-Jahren in Paris mit großer Resonanz entwickelte. Dieser Einstieg erlaubt Bürger, ein systematisches Motiv - die Auseinandersetzung mit der für moderne Gesellschaften konstitutiven Überzeugung einer Emanzipation durch Arbeit - mit einer geistesgeschichtlichen Sicht zu verbinden. Ihn interessiert nämlich vor allem, wie die surrealistische Bewegung (Aragon, Breton) - und in deren Folge repräsentative postmoderne Autoren (Bataille, Blanchot, Foucault, Lacan, Derrida) - diese Deutung des Verhältnisses von Herrschaft und Knechtschaft aufgenommen und umformuliert haben. Von ausschlaggebender Bedeutung in diesem Zusammenhang war - so Bürger - der Erste Weltkrieg als epochale Krisenerfahrung im Selbstverständnis der Moderne (153 ff.), auf die der Surrealismus mit der Revolte gegen den Subjekt- wie den Arbeitsbegriff gleichermaßen reagierte. Und insofern das postmoderne Denken diese Motive - in selbstwidersprüchlicher Form - radikalisiert, könnte sein Verdienst eben darin bestehen, gezeigt zu haben, dass der "Schritt über die Moderne hinaus [...] verbaut" scheint (184). Inhalt: II. Hegels Philosophie des Todes; III. Selbstmord und Gewalt im Surrealismus; IV. Fetisch Gewalt. Die Radikalisierung des politischen Diskurses im Frankreich der dreißiger Jahre; V. Die Faschismus-Analysen Batailles; VI. Die Souveränität und der Tod. Batailles Einspruch gegen Hegel; VII. Mythos und Gemeinschaft: Das "Collège de Sociologie" (1937-1939); VIII. Annäherung an den Ursprung. Blanchot, Hegel und der Surrealismus; IX. Der surrealistische Impuls. Foucaults "Geschichte des Wahnsinns"; X. Der Weg Foucaults vom Denken der Literatur zur Diskursanalyse; XI. Lacan zwischen Hegel und dem Surrealismus; XII. Zwischenbilanz; XIII. Das Denken der Unmittelbarkeit und die Krise der Moderne; XIV. Von Nietzsche zu Derrida. Die Frage nach dem Ursprung.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.425.3 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Peter Bürger: Ursprung des postmodernen Denkens Weilerswist: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12067-ursprung-des-postmodernen-denkens_14393, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14393 Rezension drucken
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