Vom weiterreichenden Begriff der "Vergangenheitsbewältigung" abgegrenzt, beschreibt der Autor als "Vergangenheitspolitik" dasjenige politische Handeln, das in der Frühphase der Bundesrepublik darauf ausgerichtet war, ein Millionenheer ehemaliger NS-Parteigenossen in ihren sozialen, beruflichen und staatsbürgerlichen - nicht jedoch politischen - Status quo ante zurückzuversetzen. Frei bestreitet nicht, daß die Amnestierung und Wiedereingliederung der Mitläufer nach 1949 ebenso notwendig wie unvermeidlich war; er zeigt jedoch, wie wenig sensibel und schuldbewußt dabei verfahren wurde. "Die Selbstverständlichkeit und Pauschalität, mit der sich Politik und Öffentlichkeit zu Anfang der fünfziger Jahre für die von den Alliierten verurteilten Kriegsverbrecher und NS-Täter einsetzten, deren Freilassung forderten und deren soziale Reintegration betrieben, ist das vielleicht überraschendste, in jedem Fall bestürzendste Ergebnis dieser Arbeit" (16). Die Thematik wird in drei Komplexen behandelt: Teil 1 befaßt sich mit den amnestiepolitischen Maßnahmen, die zur Entlastung der Mitläufer in der ersten Legislaturperiode auf den Weg gebracht wurden (die Bundesamnestie von 1949, das 131er Gesetz von 1951 u. a.). In Teil 2 geht es um das Problem der Kriegsverbrecher, die nach 1949 in großer Zahl begnadigt wurden. Teil 3 schließlich wendet sich den Stigmatisierungsmaßnahmen des NS zu, die um so wichtiger wurden, als Amnestie und soziale Reintegration den anti-nationalsozialistischen Gründungskonsens der Bundesrepublik nach 1945 zu unterminieren drohten (Verbot der Sozialistischen Reichspartei u. ä).