/ 21.06.2013
Wiebke Keim
Vermessene Disziplin. Zum konterhegemonialen Potential afrikanischer und lateinamerikanischer Soziologien
Bielefeld: transcript 2008 (Global Studies); 561 S.; kart., 35,80 €; ISBN 978-3-89942-838-4Diss. Freiburg/Br. und Paris; Gutachter: W. Eßbach, J.-M. Berthelot, T. Shinn. – Welche Soziologie wird in den Ländern des Südens betrieben und warum ist sie im nordatlantischen Raum so wenig bekannt? Diese Frage erörtert Keim aus wissenschaftssoziologischer Perspektive und möchte dadurch die globalen Ungleichheiten hinsichtlich der wissenschaftlichen Produktion aufzeigen, die sich ebenso wie der materielle Reichtum hauptsächlich im Westen konzentriere. Für die Soziologien des globalen Südens bilde, so Keim, die Disziplin im Westen den Referenzrahmen. Dies sei Folge der Kolonialisierung, die die europäischen Wissenschaften und somit deren Denk- und Argumentationsformen verbreitet habe. Das Ergebnis sei ein „erkenntnistheoretischer Eurozentrismus“ (505), der zum einen die Gesellschaften des Südens und deren Soziologien zwar radikal ausschließe, zum andern durch den Universalitätsanspruch der eigenen Theorien die sozialen Realitäten des Südens glaube mit einschließen zu können. Eben diesen Universalitätsanspruch der Soziologie als eine nomothetische Disziplin bezeichnet Keim als vermessen. Anhand eines Zentrum-Peripherie-Modells analysiert sie zunächst die Konstituiertheit der Sozialwissenschaften in den Ländern des globalen Südens. Anschließend diskutiert sie die Möglichkeiten und Strategien zur Entwicklung einer originären Sozialwissenschaft innerhalb der südlichen Länder. Als Beispiel für eine derartige „[k]onterhegemoniale Strömung“ (22) untersucht Keim schließlich die Labour Studies, ein in den 70er-Jahren in Südafrika entstandener Forschungszweig, der sich durch die Entwicklung eigener Methoden und Theorien zu einem eigenständigen wissenschaftlichen Ansatz entwickelte. Durch die sehr ausführliche Darstellung dieser Strömung und die langen Zitate aus ihren eigens erhobenen qualitativen Interviews wirkt dieser Abschnitt bisweilen etwas langatmig. Insgesamt liefert die Arbeit aber mit ihrer ausführlichen empirischen Recherche und ihrer klaren Struktur einen interessanten Ansatz, der über herkömmliche Denkmuster der Disziplin herausreicht.
Karin Neck (KVN)
M. A., Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 5.2 | 2.65 | 2.67
Empfohlene Zitierweise: Karin Neck, Rezension zu: Wiebke Keim: Vermessene Disziplin. Bielefeld: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/28949-vermessene-disziplin_34179, veröffentlicht am 17.11.2008.
Buch-Nr.: 34179
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M. A., Politikwissenschaftlerin.
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