/ 04.06.2013
Dietrich Hoß / Heinz Steinert (Hrsg.)
Vernunft und Subversion. Die Erbschaft von Surrealismus und Kritischer Theorie
Münster: Westfälisches Dampfboot 1997; 231 S.; 48,- DM; ISBN 3-89691-418-9Der Band dokumentiert den Versuch einer deutsch-französischen Verständigung über zwei mittlerweile Geschichte gewordene "Denkbewegungen", die wenigstens in ihrer Entstehungszeit als Avantgarde galten: auf französischer Seite der Surrealismus (um Breton, Aragon, Soupault, Eluard u. a.), auf deutscher Seite die "Frankfurter Schule" (namentlich Benjamin, Adorno, Marcuse). Die Beiträge des Bandes sind im Umkreis zweier - u. a. im Rahmen des EU-Programms "Minerve" geförderter - Konferenzen in Lyon (1994) bzw. Frankfurt (1996) entstanden. Auch wenn es zwischen Surrealismus und Kritischer Theorie nur wenige direkte Berührungen - am ehesten durch Benjamin - gegeben hat, weisen beide Strömungen doch in wesentlichen Momenten Entsprechungen auf, die eine reflexive Vergegenwärtigung sehr reizvoll erscheinen lassen. Beide verkörperten die Vision einer Revolte gegen erstarrte Herrschaftsverhältnisse, in denen sich verselbständigte kapitalistische und administrative Logiken gegenseitig stärken. Und beide suchten nach Möglichkeiten einer subversiven Praxis, die diese Übermacht auflösen könnten - der Surrealismus im Medium des Ästhetischen, die Frankfurter Schule im Medium der (theoretischen) Gesellschaftskritik. Die Beiträge verdeutlichen nun nicht nur Berührungspunkte zwischen beiden - wobei der "Mai '68" als das historische Ereignis gilt, in dem sich deren Linien überschnitten -, sie belegen auch die Schwierigkeiten, heute gegenüber den Intentionen von Surrealismus und Kritischer Theorie eine Beziehung einzunehmen, die jene als "Erbschaft" begreift.
Inhalt: Elisabeth Lenk: Kritische Theorie und surreale Praxis (14-31). Walter Benjamin - der Vermittler: Norbert Bandier: "Die Straße ... der einzig geeignete Ort für Erfahrungen von Wert" (34-46); Gerard Roche: Wahlverwandtschaften und surrealistische Inspiration bei Walter Benjamin (47-58); Ralf Zschachlitz: Surrealistischer Traum und materialistische Deutung. Walter Benjamins "Traum von einer Sache" (59-75); Gerard Raulet: Barbarei, Barbarismen und "positive Barbarei" (76-96). Theodor W. Adorno - der Skeptiker: Hauke Brunkhorst: Romantischer Impuls und untergründiger Surrealismus bei Adorno (98-115); Heinz Steinert: Warum Professor Adorno in späteren Jahren von Surrealismus nichts mehr hielt (116-134). Zur Politik von Surrealismus und Kritischer Theorie: Dietrich Hoß: Zum historisch-politischen Verlauf zweier benachbarter intellektueller Strömungen (136-143); Michael Einfalt: Das Engagement der französischen Schriftsteller der Zwischenkriegszeit, mit einem Blick auf Walter Benjamin (144-158); Gerard Roche / Bernhard Drevon: Kultur, Kunst und Subversion. Politische Positionen des Surrealismus und der Frankfurter Schule (159-182). Surrealismus und Kritische Theorie heute?: Rolf Wiggershaus: Diskrete Radikalität. Über Schwierigkeiten der Kunst nach Auschwitz (184-199); Rita Bischof: Weder dynamisch, noch statisch. Überlegungen zum surrealistischen Bildbegriff (200-216); Lothar Baier: Ungeliebte Monade. Von der ambivalenten Beschäftigung mit künstlerischen Zirkeln und intellektuellen Gruppierungen (217-226). Schlußbemerkung: Max Schoendorff: Verversion & Subnunft (228).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Dietrich Hoß / Heinz Steinert (Hrsg.): Vernunft und Subversion. Münster: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5592-vernunft-und-subversion_7286, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 7286
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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