/ 03.06.2013
Ludger Kühnhardt
Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit
Bonn: Bouvier Verlag 1996; IX, 314 S.; geb., 58,- DM; ISBN 3-416-02614-4Kühnhardts Buch ist in erster Linie ein politikwissenschaftlicher Abriß der deutschen und europäischen Geschichte seit dem Westfälischen Frieden. In starker Anlehnung an Henry Kissinger teilt er diese Geschichte in drei historische Experimente auf der Suche nach der Aufrechterhaltung des Friedens: 1. Hegemonie und Staatsräson, 2. Gleichgewicht der Mächte und Legitimitätsprinzip sowie 3. Machtpolitik und kollektive Sicherheit. Das Augenmerk der Darstellung liegt dabei auf den Interdependenzen zwischen europäischer und deutscher Frage. Es sind die großen, übergeordneten Strukturen, die Kühnhardt im Blick hat und so bleibt manches auch außerhalb seiner Darstellung. Eigenwillig ist seine These zum Zweiten Weltkrieg: "Spätere Generationen werden dem Zweiten Weltkrieg noch deutlicher, als dies am Ausgang aus seinem Schatten möglich ist, mit dem Ersten Weltkrieg zu einem Zweiten Dreißigjährigen Krieg zusammenfügen." (129). Auschwitz bleibt in Kühnhardts struktureller Analyse der internationalen Politik weitgehend außen vor.
Ein weiterer Grundtenor des Buches ist die fortwährende Klage gegen "das provinzielle außenpolitische Denken" (50) in Deutschland. Kühnhardt scheut in diesem Zusammenhang auch nicht die pointierte und verkürzte Aussage. So urteilt er beispielsweise über Hans-Dietrich Genscher: "In Wirklichkeit war er der konsequenteste und erfolgreichste Kommunalpolitiker." (12)
Immanuel Kant steht nicht im Mittelpunkt des Buches. Seine Schrift "Zum ewigen Frieden" ist für Kühnhardt nur eine lose Folie, die hier und da an die Geschichte angelegt wird. Im Schlußkapitel des Buches versucht Kühnhardt in diesem Sinne Kants drei Definitivartikel auf die gegenwärtige Lage der internationalen Politik anzuwenden und formuliert seine eigenen Artikel zum ewigen Frieden in den neunziger Jahren. Gemäß seiner Überzeugung, daß die "neue europäische Architektur" nicht auf einer "intellektuellen Blaupause gründen" wird, sondern vielmehr auf Institutionen als auf Ideen (248), erklärt er den Nationalstaat, die Europäische Union und die NATO zu Garanten des Friedens in Europa.
Kühnhardts Buch folgt der Notwendigkeit, die gegenwärtige Debatte um die Zukunft der deutschen Außenpolitik und um die Zukunft der internationalen Beziehungen nach dem Ende des Ost-West Konflikts durch umfassende und auch provokante Analysen voranzutreiben. Gleichwohl bleibt seine "globale Vogelschau am Ende des 20. Jahrhunderts" (208), die alle Erdteile, alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme wahrnehmen und strukturell ordnen will, notwendigerweise an der Oberfläche vieler Probleme.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 5.4 | 3.1
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Ludger Kühnhardt: Von der ewigen Suche nach Frieden. Bonn: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1409-von-der-ewigen-suche-nach-frieden_1592, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1592
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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