/ 10.10.2013
Jaromír Balcar / Jaroslav Kučera
Von der Rüstkammer des Reiches zum Maschinenwerk des Sozialismus. Wirtschaftslenkung in Böhmen und Mähren 1938 bis 1953
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 128); X, 511 S.; 79,99 €; ISBN 978-3-525-37301-9Zwischen 1939 und den frühen 1950er‑Jahren durchlief die Wirtschaftsordnung der Tschechoslowakei einen Wandel von der Markt‑ zur Zentralplanwirtschaft sowjetischen Typs. Dieser Transformationsprozess steht im Mittelpunkt des Buches. Jaromír Balcar und Jaroslav Ku?era arbeiten die systemischen Charakteristika der Wirtschaftsordnungen der Kriegs‑ und Nachkriegszeit heraus, um sie idealtypischen Wirtschaftssystemen zuzuordnen. Zu diesem Zweck betrachten sie die wirtschaftliche Ordnungspolitik des Staates, insbesondere die Interdependenz ihrer wichtigsten Teilbereiche. Dazu zählen die Produktions‑ und Investitionslenkung, der Arbeitsmarkt sowie die Preis‑, Lohn‑ und die sozialpolitischen Instrumente. Außerdem kombinieren sie den staatlichen Lenkungsanspruch und die wirtschaftliche Ordnungspolitik mit der Perspektive der Unternehmen. Auf diese Weise werden nicht nur die Akteure des Wirtschaftslebens in den Blick genommen, sondern auch die Funktionsweisen der beiden Lenkungssysteme und die jeweils unterschiedlichen Handlungsspielräume der Unternehmen. Dem Autorenduo geht es dabei auch darum, die These zu widerlegen, dass die Wirtschaftsordnungen vor und nach 1945 eine enge systemische Verwandtschaft aufwiesen und es eine stark ausgeprägte Kontinuität von der Besatzungs‑ zur Kriegsmacht gab. Tatsächlich sei die NS‑Wirtschaftsordnung marktwirtschaftlich gewesen, die der Volksdemokratie dagegen planwirtschaftlich – zwischen der NS‑Kriegswirtschaft und der frühen Planwirtschaft in der Tschechoslowakei der Nachkriegszeit habe es „gravierende systemische Unterschiede“ (445) gegeben, die mit der fortschreitenden Etablierung der zentralplanwirtschaftlichen Instrumente und Mechanismen stetig zugenommen haben. Die Unterschiede seien unter anderem dadurch zum Ausdruck gekommen, dass die Industrieunternehmen Böhmens und Mährens unter der deutschen Besatzung ökonomisch selbstständige, gewinnorientierte Akteure und Träger von unternehmerischem Risiko und technischer Innovation geblieben seien. Somit hielten alle Erklärungsansätze, die die NS‑Kriegswirtschaft „in die Kategorie der ‚Zentralplanwirtschaft‘“ (446) einordnen, der empirischen Untersuchung nicht stand. Das Buch entstammt einem deutsch‑tschechischen DFG‑Projekt. Es ist aus zwei Werken entstanden: einem Manuskript von Ku?era und den Ergebnissen der Habilitationsschrift von Balcar.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.25 | 2.312 | 4.1 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Jaromír Balcar / Jaroslav Kučera: Von der Rüstkammer des Reiches zum Maschinenwerk des Sozialismus. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36266-von-der-ruestkammer-des-reiches-zum-maschinenwerk-des-sozialismus_44115, veröffentlicht am 10.10.2013.
Buch-Nr.: 44115
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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