/ 04.06.2013
Eberhard Demm
Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Der politische Weg Alfred Webers 1920-1958
Düsseldorf: Droste Verlag 1999 (Schriften des Bundesarchivs 51); XIV, 584 S.; 98,- DM; ISBN 3-7700-1605-XIn den Zwanzigerjahren konzentriert sich Weber auf die Hochschulpolitik. Der "Querdenker" (434) versammelt in seinem "'Institut für Außenseiter'" (425) einen elitären Kreis von Doktoranden und Habilitanden - an prominenter Stelle steht hier Karl Mannheim. "Außenseiter": In Webers Institut finden sich überdurchschnittlich viele getaufte oder ungetaufte Juden, es liegt damit 3 Prozent über dem Reichsdurchschnitt und gar 17 Prozent über Heidelberger Verhältnissen. Und ebenso im Gegensatz zu seinen konservativen Kollegen leistet sich der Ordinarius Weber einen ähnlich hohen Anteil an SPD- und DDP-Anhängern. Professor Weber wird zum liberalen Flügel an der Heidelberger Universität gerechnet, zeichnet sich durch Findigkeit in der Beschaffung von Drittmitteln aus, leidet allerdings wie vieler seiner Kollegen auch an Neurosen. Politische Betätigung findet Weber in der DDP, ist aber längst nicht mehr so dominant wie im Herbst 1918. Er lehnt als Mitglied des "Weimarer Kreises" die Monarchie ab, ebenso den Nationalsozialismus und den Faschismus. Während der NS-Zeit wird Weber zwar durch das Reichserziehungsministerium überwacht, bleibt aber unbehelligt, vielleicht - so vermutet Demm - eine Nachwirkung von Webers Haltung während des Spartakusaufstandes. Er hat lose Verbindungen zum Widerstand, aber der Schwerpunkt liegt in den Dreißiger- und Vierzigerjahren eindeutig in der Forschung. Das Bild wandelt sich nach dem Krieg: Zusammen mit Sternberger, seinem Schüler, und anderen gründet Weber die "Heidelberger Aktionsgruppe für Demokratie und Sozialismus" und die Heidelberger Sektion des "Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands". Besonders die Aktionsgruppe bietet ein Diskussionsforum für Spitzenpolitiker, hohe Beamte und Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht. In der "Deutschen Wählergemeinschaft" spricht Weber sich gegen das Proportional- und Listenwahlrecht, aber für ein Mehrheitswahlrecht nach englischem Muster aus. In der Deutschlandfrage stellt sich Weber eindeutig gegen die Adenauersche Westorientierung, befürwortet ein neutrales wiedervereinigtes Deutschland. Nachdem er die Wiederbewaffnung akzeptiert hat, wendet sich Weber allerdings strikt gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr, ruft zu Protesten und zu Kampfmaßnahmen gegen die Nuklearisierung auf. Demm, ausgewiesener Alfred-Weber-Kenner, beschreibt Weber in diesem zweiten Teil seiner Biographie als einen "reactionary modernist", denn letztendlich stammten Webers politische Grundanschauungen aus dem kaiserlichen Deutschland. Und mochte Alfred Weber auch nicht unmittelbar an den politischen Entscheidungen nach 1945 teilhaben, er gehört zu den "ergrauten Häuptern" (437), auf die die amerikanische Militärverwaltung vertraut, und "es ist in der Tat die Generation der Großväter", so schreibt Demm, "die jetzt die Bonner Demokratie auf den Grundlagen der demokratischen, liberalen und sozialistischen Traditionen des Kaiserreichs aufbaut — eine bemerkenswerte Kontinuität, die auch jene widerlegt, die nur die antidemokratische Linie vom Kaiser zum Führer erkennen können" (437). Weber ist ein Vertreter dieser demokratischen Tradition.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31
Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Eberhard Demm: Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Düsseldorf: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4320-von-der-weimarer-republik-zur-bundesrepublik_6087, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 6087
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Dr., Historiker.
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